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Frau, sagte ich, und druckte ihre Hand, Sie geben mir überzeugende Beweise von der Aufrichtigkeit ihrer Freundschaft gegen mich, daß Sie mir sagen, was Sie von mir denken. Wenn Sie weniger aufrichtig wären, so würden Sie mir ins Gesichte schmeicheln, und doch übel von mir denken; und auf diese Art würde mir alle Gelegenheit, mich zu rechtfertigen, benommen seyn. Sie halten mich für ein sehr boshaftes Mädchen. Ich bin unglücklich, daß ich nicht den Augenblick von dem Gegentheile Sie überzeugen kann, es wird aber auch nicht nöthig seyn; ich weiß daß ihr jetziges Urtheil von mir, nicht aus einer innren Ueberzeugung, sondern aus einen aufwallenden Geblüte herrühret. Wenigstens bin ich gewiß, daß Sie keine Beweise meiner Bosheit in Händen haben. Vielleicht bin ich morgen das tugendhafteste, das beste Mädchen in ihren Augen. Sie sind sehr wankelmüthig, und dieses macht mir alle Ihre beißenden Vorwürfe so erträglich, daß ich mir keinen geringen Zwang anthun müßte, wenn ich ihnen ein sauer Gesicht machen

Empfohlene Zitierweise:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N *** in Briefen entworfen. Band 1. Michael Gottlieb Griesbach, Eisenach 1760, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grandison_der_Zweite_1.pdf/265&oldid=- (Version vom 1.8.2018)