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war, bei langen Winterabenden vorzulesen. Sie wissen, daß wohlgeschriebene Bücher jederzeit eine der angenehmsten Zeitkürzungen sowohl Ihres Herrn Oncle; als auch seiner Fräulein Schwester gewesen sind. Ich gehorsamete anfangs mit einigem Widerwillen. Ich wußte, wieviel meine Lunge durch das Geräusche der Spinnräder, welches meine Stimme durchdringen mußte, und durch den schädlichen Staub von der Hechel leiden würde: ich wüßte aber noch nicht, wie viel mein Verstand davon gewinnen würde. Kein Schlaf kam den aufmerksamen Zuhörern in die Augen; aber gnug empfindliche Thränen rollten die Wangen herab, wenn ich ihnen diese rührende Geschichte las, und jedes Wort derselben durch den gemäßen Accent ihren Herzen einprägte. Wenn ich meinen Autor hinlegte, befand sich alles in einer entzückten Stille, bis wir unsere Geister wiederum gesammlet hatten: alsdenn wurde das vorgelesene Pensum nach den Regeln des Geschmacks beurtheilet. Niemand unterstund sich, ein Meisterstück des menschlichen Witzes (davor

Empfohlene Zitierweise:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N *** in Briefen entworfen. Band 1. Michael Gottlieb Griesbach, Eisenach 1760, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grandison_der_Zweite_1.pdf/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)