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fremder Zuthaten verballhornt wurden, ganze Staaten, wie z. B. Oestreich, Sachsen etc. bis jetzt noch fast gar nicht vertreten sind, allein die Gründung eines förmlichen Organs für unsere Wissenschaft durch J. W. Wolf’s treffliche Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde (Göttingen 1853) hat diesem Studium einen neuen Impuls gegeben, der hoffentlich bald die bisher noch fühlbaren Lücken auszufüllen streben wird.

Darum übergebe ich denn auch hiermit dem deutschen und vorzugsweise dem sächsischen Volke einen kleinen Beitrag zur Vervollständigung des großen Cyclus seiner Nationalsagen, indem ich, was ich seit langer Zeit, freilich anfangs zu einem andern Zwecke (zur allgemeinen Sagenvergleichung), über die Sagen des Königreichs Sachsen zusammengebracht habe, veröffentliche. Ich kann sagen, daß meine Arbeit, so mangelhaft sie auch vielleicht sein mag, jedenfalls der erste Versuch ist, die sächsischen Sagen in ihrer ursprünglichen Form, so wie dieselben in Chroniken und Zeitbüchern, sowie in andern Werken und im Munde des Volks erhalten sind, wiederzugeben. Darum vermeide ich es auch, hier weitläufiger von den von mir benutzten Quellen zu sprechen, da dieselben bei jeder einzelnen Sage angegeben sind, nur das will ich erwähnen, daß wesentliche Vorarbeiten nicht existiren, denn die Werke von W. Ziehnert (Sachsens Volkssagen. Annaberg 1838–39. III. 8. 1851. 8.) und Ad. Segnitz (Sagen, Legenden, Märchen und Erzählungen aus der Geschichte des sächsischen Volkes. Meißen 1839–54. II. 8.) können, weil sie in gebundener Rede abgefaßt sind, nicht als solche betrachtet werden, wären sie selbst, was eben ihrer Form wegen nicht möglich war, vollständig. Außerdem hat sich besonders Ziehnert vielfacher, unverzeihlicher Abweichungen und Veränderungen der einzelnen Sagenstoffe schuldig gemacht, was bei Segnitz, der sich einer möglichst treuen Auffassung derselben befliß, nicht der Fall ist. Indeß gilt von der poetischen Behandlungsweise der Volkssagen das Urtheil, welches Grimm, Deutsche Mythologie. (II. Ausg.) S. XII. über die Behandlung der Sagenstoffe in folgenden Worten gefällt hat: „Die Volkssage will aber mit keuscher Hand gelesen und gebrochen sein. Wer sie hart angreift, dem wird sie die Blätter krümmen und ihren eigensten Duft vorenthalten. In ihr steckt ein solcher Fund reicher Entfaltung und Blüte, daß er auch unvollständig mitgetheilt in seinem natürlichen Schmuck genug thut, aber durch fremden Zusatz

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite V. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_A_005.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)