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den Rath: „Wirb um eine reiche Dirne und bezahle mit dem Brautschatze Deine Schulden“, worauf der Scharffenberger erwiderte: „Ueberall schon habe ich angepocht, aber nirgends wurde aufgethan“. Darauf gab ihm sein Freund zur Antwort:

„Nun so freie um die Schmutzurschel, die ist reich und auf einen Ritter erpicht!“ – Dieses Mädchen war die Tochter des 1234 aus Baiern in Dresden eingewanderten Brauers Kalberla, der sich durch ausgezeichnetes Bier, welches er gebraut, zum reichen Manne gemacht hatte. Ursula, seine einzige Tochter, zeigte nicht blos einen häßlichen Körper, sondern auch Eigenschaften, welche jeden bessern Menschen von ihr trieben. Ganz besonders war es ihre Unreinlichkeit, die Anderen zum Ziele des Spottes diente und der reichen Brauerstochter den hier allgemein bekannten Namen „Schmutzurschel“ eintrug.

Trotz dieser schlimmen Eigenschaften machte Ursula sehr hohe Ansprüche, sie wollte nur einen Ritter heirathen. Ihr Wunsch sollte in Erfüllung gehen, denn war auch Fust von Scharffenberg zuerst vor ihrer Häßlichkeit erschrocken, so sagte er sich doch, daß Geld ihm dringend nöthig sei und man schließlich auch die größte Schönheit gewohnt werde; er warb also um die Brauerstochter und diese heirathete den Ritter. Bei Hofe und in den höheren Adelskreisen durfte allerdings die neubackene Rittersfrau nicht erscheinen, nur der niedere Adel gestattete ihr in seinen Zirkeln Zutritt, vermochte sie aber in keiner Weise zu bessern, so daß man sie, da schon damals die Unsitte herrschte, Alles französisch (?) zu benennen, Madame Saloppe nannte, unter welchem Namen sie auch in ganz Dresden bekannt blieb. – Bei ihrer Verheirathung hatte sie sich klugerweise zwei Dritttheile ihres großen Vermögens gesichert, von welchen sie auch nichts herausgab, als des Gatten Drittel vergeudet war. Dieser Umstand veranlaßte Fust, ungeachtet der Einsprüche Ursula's, eine Scheidung von Tisch und Bett durchzusetzen. Die gekränkte Frau fand nirgends Hilfe und zerfiel ganz mit der Welt, nur noch dem Gedanken lebend, den durch ihren treulosen

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 548. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_548.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)