Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 475.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

zu beginnen, selbst der Glöckner weigerte sich, die Glocke ertönen zu lassen, bevor nicht das Unwetter vorüber sei. Da ward Klinger ungeduldig und schwur und vermaß sich hoch und theuer, nichts solle ihn abhalten, das einmal angefangene Geschäft zu unterbrechen, und wenn Niemand anderer es thun wolle, so werde er selbst in die Kirche eilen und das Geläute zum ersten Male in Bewegung setzen. Zwar versuchten ihn die Priester von diesem Beginnen abzuhalten, aber umsonst, er stürzte in den Thurm und fing an die Glocke zu ziehen. Aber sonderbar, dieselbe klang wie ein Armesünderglöckchen und lange zuvor, ehe er ausgelauten hatte, fuhr ein Blitzstrahl aus dunkler Wetterwolke herab in den Thurm, tödtete Klinger und zündete die Kirche an. Niemand wagte zu löschen, denn Jeder sah hier das Gericht Gottes, und so war in Kurzem von dem schönen Bau nichts als die Mauern übrig und Niemand wagte es seitdem, die Kirche wieder aufzubauen. Klinger’s Leichnam ward zerschmettert im Thurme gefunden und am Rande des Waldes eingescharrt. Die Umwohner aber erzählen sich, um Mitternacht gehe sein Geist ruhelos dort umher und grüße den zufällig dorthin verirrten und bei seinem Anblick ängstlich davon fliehenden Wanderer, und sein Herumirren müsse so lange dauern, bis ihm Jemand danke. Seinen Bruder hatte die Strafe Gottes schon vorher ereilt, denn noch ehe das Gericht sein Urtheil gesprochen, war er vom Pferde gestürzt und hatte den Hals gebrochen.


532) Das nächtliche Fallen im Erzgebirge.
Lehmann, Obererzgeb. Schauplatz S. 930.

Im Erzgebirge sagt das Volk, wenn man in der Nacht etwas fallen hört, es müsse darauf ein Todesfall erfolgen – darum nennt man dies das Leichenbret – dieser könne aber von dem Menschen ab und auf ein Vieh gewendet werden, wenn man spreche: „falle auf meine Henne, Ziege etc.“

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 475. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_475.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)