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411) Das Kind auf dem Neumarkt zu Leipzig.
Poetisch beh. v. Ziehnert. Bd. I. S. 131 sq. S. Schäfer, Wahrzeichen, Bd. I. S. 24.

Noch heute erblickt man an dem der Kramerinnung gehörigen Eckhause am Kupfergäßchen auf dem neuen Neumarkt zu Leipzig neben dem Fenster der ersten Etage zunächst der Ecke am Kupfergäßchen einen Kinderkopf von Sandstein eingemauert. Der soll anzeigen, daß zur Zeit des dreißigjährigen Krieges (31. März oder 1. April 1624) das 3jährige Knäblein eines armen Zimmermanns, das der Vater –


Siehe da traf eines Tags das Loos die schöne Königstochter, und schon wollte man sie hinaus dem Drachen entgegenführen, da nahte auf einmal ein schöner Jüngling hoch zu Roß in silbernem Harnisch und kostbarem Waffenschmuck, dieser war der Ritter St. Georg. Der erbot sich, den Drachen zu fällen und ritt ihm kühn entgegen. Der Drache kam ihm aber schon wuthschnaubend in den Weg, um seine Beute zu holen, doch jener stieß ihm die Lanze in die Seite. Dies geschah in der Gegend des heutigen Thomaskirchhofes, wo noch jetzt der Ritter im Kampfe mit dem Drachen über der Thür eines Hauses gemalt zu sehen ist. Allein so scharf die Lanze war, das Leben hatte sie dem Ungethüm nicht geraubt, im Gegentheil vor Schmerzen brüllend wälzte er sich, mit seinem furchtbaren Schweife um sich schlagend, dem Dörfchen zu. Der Ritter sprengte immer hinter ihm her, um, wenn die Gelegenheit günstig sei, ihm den Todesstreich beizubringen. Da versagte plötzlich (an der Stelle, wo sich jetzt die Ritterstraße befindet, die von dem Ritter St. Georg ihren Namen hat) sein Roß seine weitern Dienste, denn es hatte ein Hufeisen verloren und blutete am Hufe. Der Ritter aber spornte es verzweifelt weiter, und so gelang es ihm (in der Gegend des jetzt abgetragenen Georgenhauses, das ebenfalls von ihm seinen Namen erhalten haben soll) dem Drachen wieder nahe zu kommen und ihm mit seinem Schwerte, nachdem er vom Rosse herabgesprungen war, den Leib aufzuschlitzen. Als nun Alles vor Freude jauchzte und der König hocherfreut ihm die Gewährung jeder Bitte zusagte, ja ihm selbst seine Krone abtreten wollte, da bat er um nichts, als daß man einen Schmied kommen lassen und seinem Pferde ein anderes Hufeisen aufnageln lassen möge, und als dies geschehen war, zog er von dannen, der König aber ließ zum immerwährenden Andenken das Hufeisen, welches des Ritters Roß verloren hatte, an einer Linde aufhängen, und als diese bei Erbauung der Stadt gefällt ward, kam es an die Nicolaikirche, wo es noch ist.

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 360. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_360.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)