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Von dem auf die Folter gelegten Mörder war indeß weder zu erfahren, wer er sei, noch wer ihn gedungen. Man hielt ihn für den der kaiserlichen Parthei ergebenen Abt von Pegau, dessen Kloster die Diezmannschen Truppen eingeäschert hatten. Er wurde mit glühenden Zangen zerrissen und gerädert.

Philipp den Nassauer, einen Sohn Adolphs von Nassau, traf die wüthende Hand Markgraf Friedrichs, der ihn erschlug im Gefecht zu Borna, bei der schmählichen Niederlage der Baiern und Schwaben. Des heldenmüthigen Knappen, der nach dem Falle seines Herrn den Tod suchte, denkt die Sage nur in wenigen Zügen, doch meldet sie, daß, nachdem er siegend im Treffen bei Großenhayn gefallen, Friedrich der Gebissene ihm selbst einen Stein gelegt und zwei Eichen auf sein Grab gepflanzt habe. Diezmann’s Grabmal, öfters zerstört, zuletzt durch die Franzosen im Jahre 1813, wurde in jüngster Zeit wieder würdig hergestellt, das Hufeisen aber, welches des Markgrafen Pferd in der Ritterstraße nach der Nicolaikirche schleuderte, hängt noch jetzt dort an der Mauer befestigt.

Man giebt auch vor, zur Strafe für die fahrlässige Bewachung ihres wohlthätigen Fürsten wären den Leipzigern die Wächterhörner abgenommen und ihnen dafür häßlich schrillende Schnurren, deren sich die Nachtwächter bis zum ersten Drittel dieses Jhdts. bedienten, eingehändigt worden.[1]


  1. Nach einer andern, von Ziehnert Bd. II. S. 1 sq. poetisch behandelten Sage wäre aber der Ursprung jenes Hufeisens ein ganz anderer. Zur Zeit nämlich, wo das jetzige Leipzig nur durch einen dunkeln Hain schattiger Linden repräsentirt wurde, wohnte in der Nähe desselben auf hohem Schlosse ein König, der aber schon hochbejahrt war, mit seiner Tochter; am Fuße des Berges lag ein wohlhabendes Dörfchen und alles Land ringsherum, so weit man schauen konnte, gehörte ihm eigen. Allein so glücklich er auch hätte sein können, er hatte keine zufriedene Stunde. In der Nähe des Dörfchens hauste nämlich ein greulicher Lindwurm, dem man jeden Tag, um ihn bei Gutem zu erhalten, zwei Schafe vorwarf. Siehe da waren nach und nach alle Ställe geleert und man beschloß nun statt jener ihm täglich ein Menschenopfer zu gewähren. Jedermann mußte loosen, Reich und Arm, Alt und Jung, beide Geschlechter ohne Ausnahme. [360] Siehe da traf eines Tags das Loos die schöne Königstochter, und schon wollte man sie hinaus dem Drachen entgegenführen, da nahte auf einmal ein schöner Jüngling hoch zu Roß in silbernem Harnisch und kostbarem Waffenschmuck, dieser war der Ritter St. Georg. Der erbot sich, den Drachen zu fällen und ritt ihm kühn entgegen. Der Drache kam ihm aber schon wuthschnaubend in den Weg, um seine Beute zu holen, doch jener stieß ihm die Lanze in die Seite. Dies geschah in der Gegend des heutigen Thomaskirchhofes, wo noch jetzt der Ritter im Kampfe mit dem Drachen über der Thür eines Hauses gemalt zu sehen ist. Allein so scharf die Lanze war, das Leben hatte sie dem Ungethüm nicht geraubt, im Gegentheil vor Schmerzen brüllend wälzte er sich, mit seinem furchtbaren Schweife um sich schlagend, dem Dörfchen zu. Der Ritter sprengte immer hinter ihm her, um, wenn die Gelegenheit günstig sei, ihm den Todesstreich beizubringen. Da versagte plötzlich (an der Stelle, wo sich jetzt die Ritterstraße befindet, die von dem Ritter St. Georg ihren Namen hat) sein Roß seine weitern Dienste, denn es hatte ein Hufeisen verloren und blutete am Hufe. Der Ritter aber spornte es verzweifelt weiter, und so gelang es ihm (in der Gegend des jetzt abgetragenen Georgenhauses, das ebenfalls von ihm seinen Namen erhalten haben soll) dem Drachen wieder nahe zu kommen und ihm mit seinem Schwerte, nachdem er vom Rosse herabgesprungen war, den Leib aufzuschlitzen. Als nun Alles vor Freude jauchzte und der König hocherfreut ihm die Gewährung jeder Bitte zusagte, ja ihm selbst seine Krone abtreten wollte, da bat er um nichts, als daß man einen Schmied kommen lassen und seinem Pferde ein anderes Hufeisen aufnageln lassen möge, und als dies geschehen war, zog er von dannen, der König aber ließ zum immerwährenden Andenken das Hufeisen, welches des Ritters Roß verloren hatte, an einer Linde aufhängen, und als diese bei Erbauung der Stadt gefällt ward, kam es an die Nicolaikirche, wo es noch ist.
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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_359.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)