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kommen konnte, hat auch drei Jahre ganz auf derselben Stelle gestanden, also daß er eine tiefe Grube in die Diele getreten und man ihm des Nachts, wenn er schlafen wollte, ein Pult untersetzen mußte, damit er den Kopf und die Arme darauf legen und ein wenig ruhen konnte. Weil aber die Stelle, da er gestanden, nicht weit von der Stubenthüre beim Ofen, und den Leuten, die in die Stube gegangen, gleich im Anlaufe gewesen, so haben die Geistlichen bei der Stadt auf ihr vorhergehendes fleißiges Gebet ihn von dem Orte aufgehoben und gegenüber in den andern Winkel der Stube glücklich und ohne Schaden, wiewohl mit großer Mühe gebracht, denn wenn man ihn sonst forttragen wollen, ist er alsbald mit unaussprechlichen Schmerzen befallen und ganz wie rasend worden. An diesem Orte, sobald man ihn wieder niedergesetzt, hat er ferner bis ins vierte Jahr gestanden und die Diele noch tiefer durchgetreten als zuvor, da man denn einen Vorhang um ihn geschlagen, daß ihn die Aus- und Eingehenden nicht so sehen können, welches auf seine Bitte geschehen, weil er am Liebsten allein gewesen und wegen steter Traurigkeit nicht gern viel geredet. Endlich hat der gütige Gott ihm die Strafe etwas gemildert, so daß er das letzte halbe Jahr sitzen, sich auch in’s Bette, so neben ihn hingestellt worden, legen können. Wenn ihn Jemand gefragt, was er mache, hat er gemeiniglich geantwortet, er werde von Gott dem Herrn seiner Sünden wegen gezüchtigt, setze Alles in dessen Willen und halte sich an das Verdienst seines Herrn Jesu Christi, auf welches er hoffe selig zu werden. Hat sonst ganz elend ausgesehen, ist blaß und bleich von Angesicht und hager und schmächtigen Leibes, auch sehr mäßig in Essen und Trinken gewesen, daß man ihm oft die Speisen einnöthigen müssen. Nach verflossenen sieben Jahren ist er dieses seines betrübten Zustandes den 11. Septbr. 1552 entbunden worden und im wahren Bekenntniß und Glauben an den Herrn Jesum Christum eines natürlichen vernünftigen Todes, nicht aber an der Pestseuche, wie Einige geschrieben, gestorben. Die Fußtapfen hat man nach langer Zeit an beiden Orten im gedachten Hause

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_256.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)