Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 250.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
271) Der Teufel holt einen verliebten Cleriker zu Freiberg.
Camerarius, Horae subcisivae. Cent. I. No. 70. Moller, Bd. II. S. 19 sq.

Es hat sich zu Freiberg ein geistlicher Scholar auf der dasigen Klosterschule heftig in eine schöne Jungfrau verliebt und, weil er sie nicht zu seinem Willen verführen können, Rath und Hilfe bei einem Schwarzkünstler gesucht. Der hat ihn in einen Kreis gezogen und seine gewöhnlichen Beschwörungen angefangen, da denn der Teufel, der sich zu solchem Spotte nicht lange bitten läßt, geschwind in Gestalt der Jungfrau erschienen ist und sich also geberdet hat, daß der von brennender Liebe halb unsinnige Jüngling nicht anders vermeinet, als daß es seine Liebste sei. Darum sprang er auf und reichte ihr aus dem Kreise heraus die Hand, aber zu seinem großen Unglück und Verderben, denn alsbald riß ihn der Teufel zu sich hin und warf ihn dermaßen gegen die Wand, daß er auf der Stelle todt blieb. Dabei hatte er aber auch den Schwarzkünstler nicht geschont, sondern er nahm den zerschmetterten Körper und warf ihn mit solcher Gewalt wider denselben in den Kreis hinein, daß derselbe davon erstarrt die ganze Nacht winselnd liegen blieb und am Morgen noch halb todt gefunden und nachmals zur gebührenden Strafe gezogen ward. Solches geschah im Jahre des Herrn 1260.


272) Die Wallfahrt zur schönen Marie in Freiberg.
Moller a. a. O. Bd. II. S. 20 sq. Peccenstein Th. III. S. 15.

Im Jahre 1261 sind die Geißler in großer Zahl in das Land Meißen gekommen und auch in die Stadt Freiberg gezogen, wo damals stark zur sogenannten schönen Marie[1] gewallfahret ward. Sie sind halb nackend zwei und zwei


  1. Eine ähnliche Wallfahrt war früher zu Regensburg unter diesem Namen sehr berühmt. Ueber die Entstehung derselben existirt ein seltnes Reimgedicht: Wie die new Capell zu der schonen Maria in Regenspurg erstlich aufkummen ist, nach Christi geburt. M. CCCCC. vnd XIX. jaar. o. O. u. J. 2 Bogen. 4. S. dar. Hormayr, Tasch. 1843. S. 176. sq.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_250.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)