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Durch einige schaurige Wege, die Rothkopfs Görgen, so gut er auch am Windberge Bescheid wußte, gänzlich unbekannt waren, und die er sich auch niemals wiederzufinden getraute, gelangten sie endlich an ein großes leuchtendes Thor, das sich plötzlich, sobald sie in den geräumigen Vorhof getreten waren, von selbst wieder schloß. Der Musikant glaubte, er werde aus diesem bezauberten Schlosse wohl nun nie mehr herauskommen, denn wenn der Ton seiner Geige dem Berggeist gefiele, so könne es demselben leicht in den Sinn kommen, ihn gar zu seinem Hofmusikanten zu machen. Zwischen Furcht und Erstaunen getheilt, durchging er den mit Fackeln erleuchteten Vorhof und erblickte dann mehrere prächtige und hohe Gebäude und Thürme, die kaum, nach seinem Augenmaße zu schließen, im Windberge Platz haben konnten, und Alles war hell und erleuchtet, wie am Tage. Sein Führer ging stets vor ihm her und brachte ihn durch das Hauptgebäude in einen großen, von vielen tausend Kerzen erleuchteten Saal, wo eine große Gesellschaft von Herren und Damen in schwarzer altdeutscher Tracht und mit köstlichen Perlen und Edelsteinen geschmückt, ihn augenblicklich umringte und von oben bis unten mit großen Augen betrachtete. Ihm pochte das Herz gewaltig; sein Führer aber winkte ihm freundlich und führte ihn durch den versammelten Kreis zu einem Kamine mit dem deutenden Winke, sich nun auf der Geige hören zu lassen. Auch hier umgaben ihn, während er stimmte, die Herren und Damen, und endlich erhielt er das Zeichen zum Anfang. Es begann eine Art Tanz, dergleichen er weder in Burgk, noch auf den andern Dörfern umher jemals gesehen hatte. Das Sonderbarste vor Allem war aber, daß er dazu mit der größten Fertigkeit eine Musik spielte, die er in seinem Leben noch niemals gehört hatte und von der er auch nachher niemals wieder einen Ton hervorbringen konnte. Als sich die Gesellschaft ohngefähr eine Stunde, nach seinem Bedünken, mit dem Tanze belustigt hatte, kam jedes Paar mit ernsthaften Schritten und schweigend auf ihn zu, und nun betrachteten sie ihn mit Blicken, vor welchen seine

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_242.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)