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Leider aber entfernten sie sich bei diesem Geschäfte allzuweit von dem Kinde, und diese Gelegenheit erspähte ein gewaltiger Raubvogel, der schon lange in dem nahe gelegenen Forste auf Beute gelauert hatte, er stieß herab, packte das schlummernde Kind mit seinen Fängen und entführte es mit sich in die Lüfte. Da ihn jedoch die Schwere des Kindes beim Fluge zu behindern schien, so flog er nur ziemlich langsam nach den jenseits des Schlosses gelegenen Felsklüften, und war schon über dem hohen und felsigen Hügel, der sich im obern Theile des unmittelbar vor dem Schlosse liegenden Städtchens Lauenstein erhebt, angelangt, als plötzlich ein Schuß fiel, den ein aus dem nahen Forste kommender Jäger, welcher den Vorgang gesehen, mit sicherer Hand entsendet hatte. Der Vogel stürzte herab und die herbeigeeilte Wärterin konnte das Kind, welches, von den Krallen des Thiers gehalten, lebend mit herabkam, der verzweifelnden Mutter zurückgeben. Zum Andenken an diese wunderbare Rettung ließ diese aber auf dem Hügel, wo der Vogel todt herabgestürzt war, einen Thurm erbauen und später auch eine Glocke darin aufhängen. Zwar ist jener jetzt zur Ruine geworden und die Glocke in den Thurm der Lauensteiner Kirche gekommen, allein der Hügel heißt noch bis auf diese Stunde der Katharinenstein.


241) Die wüste Mühle bei Reichenau.
Ziehnert, Bd. III. S. 167.

Mitten auf der Grenze der beiden Dörfer Reichenau und Hermsdorf im Amte Frauenstein am Kreuzwalde, hart an der nach Böhmen führenden Straße, steht die Ruine der Kapelle zum heiligen Kreuz oder die sogenannte Wüste Kirche. Dieselbe ist 24 Ellen lang und 12 Ellen breit, scheint aber nur eine Wallfahrtskirche gewesen zu sein, insofern 1742 ein gewisser Trope oder Hartitzsch sich mit dem Hermsdorfer Richter um das Recht stritt, Bier und Brod zum heiligen Kreuz zu schaffen. Unter dieser Kapelle soll aber eine ganze

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_216.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)