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der die Mühle für alle Zeiten mit Wasser versehen würde. Der fremde Knappe hat ungesäumt den Pact angenommen und sich entfernt, um sein Wort zu halten. Die Müllerstochter aber und ihr heimlicher Geliebter, der mit ihr aufgezogene Müllerknecht ihres Vaters, waren schon recht froh, daß der freche und heimtückische Fremde seines Weges ging, weil sie nicht wußten, was derselbe mit ihrem Vater abgemacht hatte. Als nun aber die Nacht hereinbrach, vernahm man aus der Ferne ein sonderbares Getöse, welches, je später es wurde, sich immer deutlicher vernehmen ließ. Dem alten Müller fing es aber an bald gar ängstlich um’s Herz zu werden, denn er merkte, mit wem er sich eingelassen hatte, und es dauerte ihn, seine einzige Tochter dem Gottseibeiuns verlobt zu haben. Als nun von der Seite von Tiefenau her das furchtbare Lärmen des Teufels, der mit seinen Gesellen einen Graben von der Elbe her führte, immer näher kam, konnte er es nicht mehr bei sich behalten, sondern er schüttete sein angsterfülltes Herz gegen seine Tochter und den ihm längst als treu bekannten Knappen aus. So sannen sie alle drei lange hin und her, wie dem drohenden Unglück zu entgehen sei, als endlich dem Mühlknappen ein längst bekanntes Mittel einfiel, er eilte an die Hofthüre und durch nachgeahmten Hahnruf (wie Andere erzählen, durch Klopfen auf sein Schurzfell) gelang es ihm, den Haushahn zum Krähen zu bringen, und durch dieses Zeichen des beginnenden Tages war der Müller von seinem gegebenen Worte entbunden, denn der Teufel war mit seinem Werke noch nicht fertig geworden. Dieser aber, entrüstet über die ihm zu Theil gewordene Ueberlistung und das Entschlüpfen der jungen unschuldigen Seele, zerstörte die Wasserleitung wieder, und der dankbare Müller gab dem klugen Knappen seine Tochter als Lohn zum Weibe, und sonderbar, von diesem Augenblicke an hatte der bisherige Mühlbach immer hinreichendes Wasser, und das Geschlecht des Müllers blühte noch lange Jahre und hatte nie Mangel an Mahlgästen, die, weil der Müller ehrlich war und blieb, gern dahin kamen. Noch heute heißt aber eine in der Nähe

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_201.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)