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band man den Herzog und seinen Diener nackend an eine Eiche, um sie mit Pfeilen zu erschießen, da bat sich der Howora von dem feindlichen Anführer als Gnade aus, noch dreimal sein Leibstückchen auf dem Horne blasen zu dürfen. Allein diese Töne zeigten dem zerstreuten Gefolge nicht blos den Ort, wo ihr Herr weilte, sondern auch, daß er in Gefahr sei, an: es eilte herbei und so wurden beide vom gewissen Tode gerettet. Aus Dankbarkeit hat nun der Herzog seinen treuen Diener mit Belohnungen überhäuft und ihm den Beinamen Duba (d. h. Eiche) gegeben, welchen Friedrich Berke, als er 1140 das Schloß Eiche oder Duba baute, der Verwandtschaft wegen annahm. Das Benedictinerkloster, welches Jaromir an der Stelle, wo sich die Begebenheit zugetragen hatte, erbaute, bestand noch bis auf die Zeit des Königs Wenzel, wo es zerstört ward.


193) Die Sagen vom Lilienstein.
Melissantes, Curieuse Orographie. S. 565. sq. Hofmann a. a. O. S. 537. sq.

Der Lilienstein, ein dem Königstein gegenüberliegender hoher Fels, der von ferne gesehen, ganz von der Elbe umflossen zu sein scheint, muß früher bewohnt gewesen sein, wie man noch heute aus gewissen Merkmalen abnehmen kann. Man erzählt sich, daß einige Personen, welche aus Neugierde denselben betreten hätten, plötzlich einen Keller mit einer eingemauerten Thüre vor sich gesehen, aus Furcht aber nicht hineingegangen wären, sich jedoch den Ort so genau angemerkt, daß sie ihn, wenn sie wieder zurückkehrten, eigentlich ohne Mühe hätten finden müssen. Gleichwohl haben sie später weder ihr gemachtes Merkmal, noch Ort, noch Keller wieder erkennen können. Es soll sich aber in demselben ein großer Schatz, eine ganze Braupfanne voll Ducaten befinden und einige Personen, welche den Ort entdeckt hatten und den Schatz zur Nachtzeit heben wollten, sind von den gespenstigen Wächtern vom Felsen herabgeworfen und am andern Morgen am Fuße desselben, obwohl unbeschädigt, wieder aufgefunden worden.

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_173.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)