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desto größerer Treue seinem alten Herrn zugethan. Da nun aber der böhmische Graf, der noch unbeweibt war, die Hoffnung hegte, daß er als Schwiegersohn eines der mächtigsten Ritter im Sachsenland desto besser für König Wenzel wirken könne, so bat er um die Hand der schönen Elsbeth von Clohmen und erhielt sie auch sofort zugesagt, und als ihr Bräutigam ihren Vater an sein gegebenes Wort mahnte, so erklärte dieser, er halte sich desselben für entbunden, weil nur ein Freund König Wenzels seine Tochter zum Altare führen solle. Indeß fanden die Liebenden noch einmal Gelegenheit, sich zu sehen und sich ewige Treue zu schwören. Der Ritter von Birken hatte unterdeß seine Besitzung an der Elbe bezogen und schickte täglich seinen alten Diener auf Kundschaft aus, um zu erspähen, was bei seinem Nachbar vorgehe, konnte aber fast nichts erfahren. Mitten in einer stürmischen Nacht erstieg er einst von einer unerklärlichen Angst getrieben, die Höhe des Waldes und sah das Schloß seines Feindes hell erleuchtet, hörte auch Trompeten- und Paukenschall in einzelnen Absätzen erklingen. Ohne sich zu besinnen stieg er den tiefen Grund herab und erklimmte die steile Anhöhe jenseits, sowie die hohe das Clohmensche Schloß umgebende Mauer, nachdem er zuvor mit seinem Schwerte alle Hindernisse des dicken Gestrüppes beseitigt hatte. Siehe, wie er noch sinnend dastand, was er nun weiter beginnen solle, da öffnete sich ein Pförtchen und seine Elsbeth, weiß gekleidet wie ein Engel, stürzte in seine Arme. Schnell entschlossen, nahm er die holde Bürde auf seine Arme, stieg mit ihr über die Mauer und den Berg hinab, mußte aber im Grunde vor Anstrengung ermattet eine kurze Zeit rasten. Während dem erzählte ihm seine Elsbeth, wie sie ans Altar geschleppt und mit dem ungeliebten Böhmen trotz ihres laut ausgesprochenen Nein vermählt worden sey, und darauf sogleich den Entschluß gefaßt habe, bei der ersten günstigen Gelegenheit zu entfliehen. Wild tobte der Sturm, sie hatten den Weg verfehlt und Fackelschein verkündete die sie Suchenden von allen Seiten,

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_142.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)