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sitzen, welche Schuhe flicke, und verschwinde, wenn Jemand zu dem Steine komme. Zuweilen kommt von hier ein Frauenzimmer in die Stadt, deren Kleider an den Füßen herum naß sind, die dann Waaren einkauft und wieder verschwindet.

Zu Anfange des 17ten Jahrhunderts ist ein Mann zu Pferde gestiefelt und gespornt zur Wehmutter der Stadt gekommen und hat sie genöthigt, mit ihm zu gehen, ihr auch heilig versichert, daß ihr nichts geschehen solle. Wie sie an den Felsen gekommen sind, habe er mit einer Schwibruthe daran geschlagen, da hat derselbe sich aufgethan und sie sind in ein verziertes Gemach getreten, worin eine kreisende Frau gelegen hat. Diese hat mit Hülfe der Wehmutter ein Kind zur Welt gebracht, darauf hat der Mann das Gemach verlassen und eine Mulde voll Ducaten hereingebracht und die Wehmutter aufgefordert, so viel zu nehmen, als ihr beliebe, diese aber hat nach vorhergegangener Warnung der Wöchnerin nicht mehr davon genommen, als ihr gebührte, worauf jener die Mulde mit den Worten: „das hat Dir Gott gerathen“ wieder hinausgetragen und die Wehmutter ohne Schaden nach Hause geführt hat. Das erhaltene Geldstück ist aber der Frau, so oft sie es ausgegeben, immer wieder von selbst in die Tasche zurückgekehrt.


70) Das Wahrzeichen der Stadt Strehla.
Curiosa Saxon. 1734. S. 260. 306. sq. Sachsengrün I. Jahrg. S. 31.

Vor Alters pflegten die Handwerksburschen, wenn sie über die Stadtzeichen der von ihnen durchwanderten Länder Rede und Antwort geben sollten, gefragt zu werden: Wo predigt der Pfarr aus einem Topfe? und sie mußten erwidern: in Strehla. Hier hat nämlich im Jahre 1565 n. Chr. ein Töpfer und Bildschnitzer, Namens Melchior Tatze, im 24sten Jahre seines Alters, angeblich als Buße für einen verübten Ehebruch, eine thönerne Kanzel verfertigt, deren einzelne Kacheln er mit schönen Reliefs, die größtentheils der

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_073.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)