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starb nun die Rochlitz am 4. April 1694 an den Blattern und der Churfürst, von denselben angesteckt, folgte ihr am 27. April 1694, und kurz nach seinem Tode ward ein Hexenproceß gegen die Frau von Neitschütz eingeleitet, worin sie angeklagt ward, den Churfürsten Johann Georg III., um den Churfürsten Johann Georg IV. zur Regierung zu bringen, durch Zauberei ermordet, und diesem durch Zauberei Liebe zu ihrer Tochter eingeflößt zu haben. In Folge davon ward der Leichnam der letztern aus der Hofgruft in der Sophienkirche ausgegraben, weil Verdacht vorhanden war, daß ihr von ihrer Mutter nicht blos das Portrait des Churfürsten mit einem gespaltenen Pensee-Bande, sondern auch in Papier eingewickelte Haare und das Haarband des Churfürsten, trotzdem daß dieses auf Anrathen des Leibmedicus der Leiche vorher abgenommen worden war, in den Sarg mitgegeben worden sei, und wirklich fanden sich, außer verschiedenen Ringen, am Kinne der Leiche einige braune Haare in ein Papier gewickelt, am Beine ein gelber Schwamm und am linken Arm ein schwarzes mit Atlaß überzogenes Haarband, das sehr fest umgestreift war, und hinter dessen Ellenbogen Sr. Churf. Durchlaucht Portrait an den vier Enden mit größern Diamanten besetzt, das mit einem ponceaufarbenen Bande stark verbunden, aber mit den weiten Aermeln wohl verdeckt war. Daß mit allen diesen Dingen offenbar gewisse sympathische Wirkungen erzielt werden sollten, versteht Jeder, dem das sogenannte Bannen bekannt ist. Der Proceß endigte auch mit der Verurtheilung sämmtlicher Inculpaten, die Traummarie ward dreimal gefoltert und kam an den Pranger, die Hexe Margarethe und der Scharfrichter starben, nachdem sie dreimal torquirt worden waren, im Gefängniß (1695), die alte Neitschütz aber, welche ebenfalls den ersten Grad der Tortur ausgestanden, starb erst lange nachher (1713), eigentlich straflos, weil ihr Proceß niedergeschlagen worden war, auf dem Gute Gaussig bei Bautzen.

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_027.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)