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ganze Meißner Land gezogen. Desgleichen ist auch im Kloster Walkenried der an der Wand hängende Harnisch des Churfürsten, während der Abt an der Mittagstafel saß, ohne daß ihn Jemand angerührt hätte, heruntergestürzt.


15) Der Traum des Churfürst August.

In der Hausbibliothek der alten Churfürsten von Sachsen, welche bis auf Churfürst Friedrich August in dem alleinigen Besitz und Verschluß des jedesmaligen Churfürsten war[1], später aber in die Königl. öffentliche Bibliothek zu Dresden gekommen zu sein scheint (s. Falkenstein, Geschichte der Dresdner Bibliothek S. 483 Nr. 46), soll von der Hand des Churfürsten selbst (s. Hasche, S. 495 Anmerkung **) ein von ihm gehabter Traum und eine das Könighaus Sachsen betreffende Prophezeiung des Rabbiners Mardochäus de Nelle, eines Adepten und Astrologen an seinem Hofe (s. Falkenstein S. 13) in das Handexemplar der Bibel des Churfürsten eingeschrieben gewesen sehn. Jetzt findet sich indeß in demselben nichts mehr vor, man sieht aber aus den losen Fäden zwischen zwei Blättern zu Anfang des ersten Bandes, daß hier früher ein Bogen eingeheftet und von Jemandem herausgenommen worden ist. Diese Traumbeschreibung lautete aber nach Hasche, Diplom. Geschichte von Dresden Bd. Va. Urkunde Nr. 256 S. 493–496 also:

„1555 besuchte der Gottselige Churfürst Augustus I. das neuerbaute Schloß Augustusburg und befahl dem Hauptmann, auf 5 oder 6 Essen bedacht zu sein. Seiner Gewohnheit nach hat er vorm Schlafengehen ein gewisses Capitel in der Bibel, die er allezeit sehr lieb gehabt, gelesen, dasselbe aufschlagend liegen gelassen und sich in demselben Zimmer, allwo vor den bei sich gehabten Minister (den Kanzler von Pflug) zugleich ein Bette parat gewesen, zur Ruhe begeben, der Minister aber sei noch in Meinung, Ihro Durchlaucht schliefen ganz sanft, gewachet. Er ist aber kaum ins Bette gewesen, so hat in einem Augenblick Jemand die Thüre aufgemacht und kommen in das Zimmer getreten ein Mönch und eine Nonne, welche beide nach dem Tische, wo die Bibel gelegen und ein Tisch gestanden, gegangen. Der Mönch aber hat die Bibel aufgehoben und lieset darinnen, doch ganz mit Verdruß, legt aber die Bibel wieder hin und will das Licht ausblasen, setzet also mit starkem Blasen dem Lichte zu, kanns aber nicht prästiren, geht also in Eyl mit verdrießlicher Miene nach der Thür zu, welches die Nonne mit angesehn. Als sie beide bei der Thüre sind, kehret die Nonne wieder zu dem Lichte zu, versucht solches auszublasen und zwar mit stärkerer


  1. Die öffentliche kurfürstl. Bibliothek befand sich von 1728–1786, wo sie ins Japanische Palais gebracht ward, im Zwinger und neben derselben auch eben jene Hausbibliothek.
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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_015.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)