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68) Feuersbrunst zu Ronneburg prophezeit.
S. Eisel a. a. O. Nr. 676.

Im J. 1665 brannte fast ganz Ronneburg nieder, zuvor aber war der alte Wernick, Superintendent daselbst, am h. Pfingsttage gestorben, der mehrmals auf der Kanzel geäußert hatte: „es stehe der Stadt ein großes Unglück bevor, doch hoffe er es, so lange er lebe, durch sein Gebet abzuwenden“. Während der Antrittspredigt seines Nachfolgers am 1. August kam aber, Niemand wußte wie, Feuer aus und in zwei Stunden lag Alles bis auf 60 kleine Häuser in Asche. Die Brunst fand ihr Ziel an dem Hause der Wittwe des vorhin erwähnten Geistlichen auf den Siebenbergen, ohngeachtet es nur von Holz war.


69) Die Ruttersdorfer Schuhe.
S. Sachsengrün 1862 S. 11.

Nicht alle Zeiten waren so wie die jetzigen, wo der Bauer fast ein Edelmann ist und es ihm oft gleich thut an Essen und Trinken, an Reiten und Spielen, an Reichthum und Glanz, es gab auch Jahre und lange Jahre, in denen der Bauer unterducken mußte vor dem gestrengen Ritter, wo er wachte, wenn der Ritter schlief, wo er hungerte und fror, wenn der Ritter am warmen Kamine schwelgte. So ist es auch vor Zeiten in dem zur Ephorie Roda gehörigen Dorfe Ruttersdorf gewesen, da waren die Bauern so herunter, daß sie sich nicht mehr sehen lassen konnten, ja sie hatten allesamt keine Schuhe mehr und schämten sich, daß sie baarfüßig zum Tische des Herrn gehen sollten. Da gingen sie lieber eine Zeit lang gar nicht. Als aber ihre Seelen hungerten nach der himmlischen Speise, traten sie endlich zusammen, gaben ihr Scherflein in eine Hand, gewöhnlich einen Heller, keines aber über einen Pfennig und ließen sich ein Paar Gemeindeschuhe machen, die in der Kirche verwahrt wurden. Dann gingen sie nach einander, jeden Sonntag

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 377. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_377.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)