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in seltsam geformten Schüsseln und Bechern Speise und Trank anbot. Ueberhaupt war in dem Hause Alles, Tische, Stühle, Geräthe, anders als es damals zu sein pflegte. Ebenso sonderbar waren alle Gäste gekleidet, sie hatten eine altfränkische Tracht, gebauschte und geschlitzte Gewänder, die Braut war angethan, wie eine Nonne mit langem wallenden Schleier und ernster Klostertracht, der Bräutigam dagegen trug wie ein Rittersmann einen kostbaren, gold- und silbergestickten Waffenrock und hatte einen langen, funkelnden Degen an der Seite und trug eine goldene Ehrenkette auf der Brust. Der alte Mann frug nun das Mädchen nach ihren Verhältnissen, wer und woher sie sei, und sprach dann lange mit dem Ritter in einer ihr unverständlichen Sprache. Darauf trat der Ritter sichtlich erfreut zu ihr und sagte: „habe Dank, mein Kind, daß Du gekommen bist, nun ist uns bald ewige Freude und Ruhe beschieden!“ Dann begann der Hochzeitstanz, sonderbar-wunderliche Musik zu seltsamen Tänzen, die das Mädchen niemals getanzt hatte. Nur bisweilen kam ein ihr bekannter Tanz an die Reihe, den sie stets mit dem stattlichen Bräutigam tanzte, bis endlich ein merkwürdiger Reigen begann voll der wunderlichsten Sprünge und Drehungen. Da plötzlich mitten im heitern, ausgelassenen Drehen ward es ruhig und still, zwölf Horntöne schallten geisterhaft dröhnend durch die Nacht, dann ward es wieder still und Alles verschwand mit einem Male, die fröhliche Gesellschaft, die lustigen Spielleute, die alten sonderbaren Tische und Geräthe, das ganze seltsame Dorf.

Wie nun das arme Mädchen sich bestürzt umsah, stand sie wieder allein in dunkeler Nacht auf der stillen Waldwiese und wußte nicht, wie ihr geschehen war. Schnell eilte sie nach Hause und fand dort in ihrem Korbe ein Barett, das, wie sie sich erinnerte, der stattliche Bräutigam getragen hatte. In dem Barette aber lagen mancherlei alte, schwere Gold- und Silbermünzen und ein zusammengerolltes vergilbtes Pergamentblatt, darauf stand in alter Mönchsschrift also geschrieben:

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_349.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)