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und nach einigen Schritten nach dem Schlosse zu waren Beide verschwunden, als ob die Erde sie verschlungen habe. Niemand traute sich das Geisterpaar anzureden, Niemand ihm ein Hinderniß in den Weg zu legen. Die Wache am Portal schlug ein Kreuz, wenn sie die Nachtwanderer kommen sah und drückte sich hinter die hohen steinernen Säulen des Altans oder in die Nische der Mauer. Nie verließ die Nonne den erwähnten Weg, während der Mönch auch zuweilen außerhalb des Schlosses, in dem Gäßchen nach dem Laboratorium hin, in der Wasser- und hintern Schloßgasse, am Neuenthore, hinter der Münze und an der Reitbahn gesehn wurde. Am ärgsten trieben diese Geister ihr Wesen zur Zeit des Herzogs Christian, dem sie sich oft im Garten, wenn er nach dem Laboratorium ging oder von da des Nachts ins Schloß zurückkehrte, zeigten und auf den sie es besonders abgesehen zu haben schienen. Mehrere glaubwürdige Personen haben sie gesehen und es läßt sich an ihrer Identität nicht zweifeln. Gleichwohl zweifelte Dr. Kaiser, des Herzogs geheimer Secretär, gar sehr an ihrer Körperlosigkeit, denn er soll sogar einmal den kühnen Gedanken gehabt haben, beide einzufangen, aber durch die feige Flucht seines Begleiters daran gehindert worden sein. Nach Christians Tode sah man die Nonne nicht mehr, der Mönch jedoch trieb nach wie vor sein Wesen und soll noch, nachdem auch die Herzogin gestorben und Niemand mehr im Schlosse wohnte, in den öden Gängen des Gartens herumgewandelt, sich auch oft namentlich im obern Theile des Schlosses gezeigt haben und dort still und geräuschlos herumgeschlichen sein. Man glaubt, daß der noch lebend schon im Geisterreiche herumwandelnde Fürst, von dem weiter unten noch mehr die Rede sein wird, zum Abfall seines Glaubens und zur Rückkehr zum Katholicismus von bezahlten Betrügern verlockt werden sollte.

Die erwähnten zahmen Hirsche kamen später wieder in den Wald, nahmen ihre ursprüngliche Wildheit wieder an, wurden aber von allen Jägern geschont, nicht allein wegen ihrer Farbe, sondern weil sie die Lieblinge des allgeliebten

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_322.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)