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ohnmächtig und siecht so fort bis in die zwölfte Woche, ohne daß eine bestimmte Krankheit hervortritt. Den 6. Juni fährt es ihr ins rechte Bein und nach und nach auch in die übrigen Glieder. Es däucht ihr, als ob etwas darin lebe und sich bewege. Dazu kömmt ein heftiges Reißen, Hals und Arm verdrehen sich und es wirft sie so, daß sie von mehreren Personen kaum gehalten werden kann. Den 29. Juli wird’s mit ihr noch schlimmer. Drei Männer können sie kaum erhalten, sie erschrickt heftig, verliert die Sprache, liegt oft lange wie todt, ißt nichts, behält kein Getränk bei sich, bleibt jedoch, zu Gott betend und geduldig, bei Verstande. Den 4. August ist es mit ihr am schlimmsten. Sie schreit, als ob Zunge und Schlund aus dem Halse gerissen würden. Nachmittags aber fängt sie an sich zu erbrechen und giebt von diesem Tage bis zum 10. Februar 1687 nach und nach 1231 verschiedenartige Dinge durch Erbrechen von sich, als: Haarbüschel, Federn, gezwirnte wollene Fäden, ungesponnene Wolle, zusammengeknüpfte Bündlein Wolle und Garn, einen starken Zwirnfaden mit 16 Knoten, eine gekrümmte Stecknadel, ein Stücklein Papier, ein Büschlein Haare, wie ein Zweifelsknoten geschlungen, abgeschnittene, mit Zwirn zusammengebundene Menschennägel, Baumwolle, Fischgräten, ein Stücklein Haut, ein Striemlein Leinwand, eine kleine Spinne oder Kanker, rothbaumwollenes Garn, ein mit Bast zugebundenes Bündlein Stroh, ein Fädchen schwarze Seide mit Knoten, Unschlitt, Katzen- und Hundehaare Flachs, Häckerling, Seife, Gerstenähren etc. Den 20. August erkrankt auch ihr Bruder, bekommt Herzstöße und erbricht dergleichen Dinge. Im Fieber-Paroximus schreit das Mädchen einst: „Liese! Liese!“ und bezeichnet eine in Eisenberg wohnende Tagelöhnersfrau, welche mit ihr spiele, sie aus dem Bette heraus zu reißen und obengenannte Dinge ihr in den Hals zu stecken drohe. Darauf ward vom Gerichte gegen die von dem Mädchen bezeichnete Person eine Untersuchung auf Behexung erhoben. Es wird also am 16. Septbr. Elisabeth Papstin, des Tagelöhners Hans Papst’s Eheweib, vom Stadtrath

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 318. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_318.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)