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Glöcklein vor des Superintendenten Kammerfenster und vor 4 Uhr wieder allezeit nur einmal und nicht stark, ohne daß Jemand da war. Den Montag Abend nach Sieben fiel es in der Kirche, als wenn Breter geworfen würden, und als er hinab schickte, in der Meinung, es sei Jemand da, so sah man Niemanden. Unter dem Singen nach dem Essen schellte es wieder, und als der Superintendent die Fenster aufmachte um zu sehen, ob böse Buben etwa ihr Unwesen da trieben, ward es wieder still. Ein Hund heulte, die Katze auch, daß die Familie sich fürchtete, die Nachbarn aber, die auf die Thüre der Superintendentur sehen konnten, berichteten ihm, es hätte etwas Weißes, was sie aber nicht hätten erkennen können, in der Größe einer ziemlichen Katze ganz still an der Thüre gesessen, als aber die Steine gefallen, wäre es weg gewesen. Nun fiel es immer wieder, daß der Superintendent dachte, es seien die Spinnräder der Seinigen. Auch hörte er das Bretterwerfen wieder, ließ sich aber nicht stören, sondern ging in seine Stube, um an seiner Passionspredigt zu revidiren. Nun kam sein ältester Sohn zu ihm und bot sich an, bei ihm zu bleiben, wenn er sich etwa fürchte. Sein Vater aber versetzte: „Du elender Beschützer gegen die Gespenster, wir Christen haben einen bessern Beschützer an unserm Gotte!“ Als er aber wieder auf den Saal ging, fiel es wieder so stark, da fragte er seinen Sohn, ob er es auch gehört, und da dieser mit ja antwortete, so sagte er: „nun, so hat es mich nicht bethört.“ Hernach ließ er ihn hinuntergehen und folgte bald nach. Da fing die große Magd an: „Herr, wenn der Thurm einfiele?“ Die Kindermagd hatte gesagt, „wenn mich der Thurm erschlagen sollte, wolle sie lieber an meiner Stelle sterben“. Da sprach die Frau Superintendentin zu ihr: „Du möchtest sein wie Petrus, der auch viel versprach, aber wenig hielt!“ darüber sie alle lachten. Hierauf ging der Geistliche wieder in seine Studirstube und als er mitten im Gebete war, fiel es wieder stark und er hörte es, daß Steine in die Kirche und von der andern Seite auch auf die Gasse fielen, und plötzlich neigte sich die Spitze des

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_313.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)