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wegen seiner frommen Gesinnung – etwas Seltenes bei einem alten Soldaten – hochgeachtet, und so gab ihm Jeder gern etwas zu verdienen, wenn er die von ihm gesuchten Kräuter ausbot, oder sich zum Botschaftgehen erbot. Einst begegnete er in der Michaelisnacht dem Bergmännlein, das ihm ein Zeichen machte, er möge ihm nur getrost folgen, und so führte ihn dasselbe die Kreuz und die Quere durch den Wald, bis es endlich an einem kleinen Hügel stehen blieb, räucherte, mit seinem Stabe nach allen Himmelsgegenden hinwieß, und dann den Boden damit berührte, worauf sich auf einmal aus dem Hügel ein förmlicher Springbrunnen von Gold, Silber und Edelsteinen ergoß, und als er eine Weile gesprudelt hatte, wieder versiegte. Nachdem das Bergmännchen ihm die Erlaubniß zugewinkt hatte, sich des Silber- und Goldsegens zu bemächtigen, und derselbe in Ermangelung eines Sackes dasselbe in seinen Mantel gepackt hatte, gab jenes ihm noch ein in schwarzen Sammet gebundenes Buch, winkte ihm, sich zu entfernen und verschwand selbst. In dem Buche aber, welches von den geheimen Kräften der Kräuter und Wurzeln handelte, lag ein Zettel, auf welchem in lateinischer Sprache dem nunmehrigen Besitzer eingeschärft ward, sich seines Fundes weise zu bedienen, und der Armen und Kranken eingedenk zu sein. Dies that denn aber der brave Invalid nach Kräften, er heilte mit Hülfe seines Buches eine Unzahl Kranke, wendete seinen Reichthum zur Unterstützung der Armen und Schwachen an, und als er zu Ende des 17. Jahrhunderts starb, hatte er sein ganzes Eigenthum der Kirche und frommen Stiftungen vermacht. Jenes Bergmännchen selbst soll aber der Geist eines frommen Mannes aus den Zeiten des Mittelalters sein, der an der böhmischen Grenze ebenfalls als ein ausgezeichneter Kräuterkenner und Naturarzt vom Volke vielfach geehrt und gesucht ward, eines Tages aber, von einer Reise aus dem benachbarten Böhmen zurückgekehrt, auf jenem Hügel, dem jetzt noch sein Schatten entsteigt, von gottlosen Menschen, die wahrscheinlich große Reichthümer bei ihm zu finden gedacht hatten, da man ihm

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_302.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)