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sich verschafft, und sich dazu blecherne Büchsen machen lassen, welche so eingerichtet waren, daß man die Thiere ohne Gefahr schnell tödten konnte. Vom Kirchhofe hatte er selbst sich Bilsenkraut mitgebracht und dieses gut getrocknet, so daß es an Ort und Stelle schnell in einer Blendlaterne zu Pulver gebrannt werden konnte. Mit der Nacht in den Ruinen angelangt, schlachtete er die Thiere, verbrannte in seiner Blendlaterne das getrocknete Bilsenkraut, mischte das Blut und die Asche wohl durch einander, und bestrich zitternd Gesicht und Hände. Glücklicher Weise verlieh ihm dieses seltsame Waschen eine wunderbare Kraft und Freudigkeit und alle Furcht zerrann, denn sonst wäre es ihm wohl kaum möglich gewesen, die Zauberformel fehlerfrei auszusprechen. Sobald das letzte Wort ausgesprochen war, sah er sich vor einer offenen Pforte. Er schritt hinein und war in einer von hellem Kerzenschein erleuchteten Höhle, in deren Mitte ein steinerner Tisch stand. Auf ihm lag ein blankes Schwert und neben diesem stand ein Helm mit schwarzen Federn verziert und stark vergoldetem Visir. Vor ihm aber stand plötzlich eine schöne Jungfrau mit glühenden Wangen und purpurnen Lippen. Ihr wallendes Haar von blonder Farbe zierte ein mit Edelsteinen reich ausgeschmücktes Diadem, um ihren zarten schneeweißen Hals perlte eine goldene Kette, und den schlanken Körper verhüllte ein langes schneeweißes Gewand. Schweigend trat sie zum Tische, nahm den Helm, überreichte ihn dem Jünglinge und als er ihn aufs Haupt gesetzt, reichte sie ihm auch das blanke Schwert und rief ihm freundlich zu: „folge mir nach!“

Dieselbe schritt nun durch einen sehr langen Gang, der endlich in einen von hohen Mauern umgebenen Schloßhof führte. Hier stand gegen das Schloß zu eine sehr lange steinerne Spitzsäule. „Rette mich“, rief bittend die Jungfrau, „schlage dreimal mit dem Schwerte an diese Säule, bekämpfe den darunter verbannten Ritter, und gieb dem auf dem eisernen Goldkessel sitzenden Falken das Blut der Person zu trinken, auf deren Arm er sich setzen wird.“ Ohne zu zögern schlug Karl dreimal an die steinerne Spitzsäule, daß laut das

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_274.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)