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verbargen, um im Falle der Noth von ihnen Gebrauch zu machen. Plötzlicher Tod oder andere Umstände verhinderten es, daß ihre früheren Herren ihre Absicht ausführen konnten, also liegen sie noch hier in der Erde Schooß und warten, weil sie von bösen Geistern bewacht werden, ihrer Erlösung durch kräftige Bannformeln. Oft ertönt ein grauenvolles Heulen, Stöhnen und klägliches Gewinsel in der Luft, bald dröhnt es an den Ruinen des Burgthurmes mit mächtigen Schlägen, Waffengeklirr wird vernehmbar und Geschrei, wie von Kämpfenden läßt sich mit gemischtem Trompetenschall und wildem Pferdegewieher hören. Ein andermal erblickt man leuchtende Flämmchen, welche den ihnen Folgenden in Abgründe leiten, wo er beschädigt hinabstürzt, oder wenn es glücklich geht, in entferntere Gegenden gleichsam auf Windesflügeln von einem Wirbel gedreht wird. Bald schwirren in dunkeln Nächten scheußliche Ungeheuer mit glühenden Augen, Flammen aus dem Rachen hauchend durch die Lüfte, und bald erscheinen im halben Lichte des Vollmonds riesige Gestalten in schwarzen Harnischen mit blutrothen Helmbüschen, abwechselnd mit Männern in Mönchskutten und Frauen in alter Kleidung, vollgestopfte Wetscher tragend, die mit grauserregenden Gesichtern, hohlen Augen und widrigen Geberden den hierher Verirrten oder neugierigen Fremdling anglotzen und winken. Bald stürzen wunderbar geformte Vögel mit krummen Schnäbeln und drohenden Fängen unter kreischendem Geschrei aus den Wölken, kämpfen hartnäckig gegen einander und ziehen mit betäubendem Flügelschlage wieder von dannen. Nie aber hat irgend Jemand von den Spukgestalten Geschenke erhalten oder ist ihm durch sie ein Schätze bergender Fleck angezeigt worden, eben so wenig als diejenigen, welche kühn genug daselbst nach Schätzen gruben, dadurch beglückt wurden, sondern entweder verarmten oder mit lebenslänglichen Krankheiten heimgesucht wurden.


833) Die Kirche auf dem Oybin.

Am Abend des Allerheiligentages in der eilften Nachtstunde

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_229.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)