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es nur Furcht vor dem täglich erscheinenden Gespenste, oder war es Seelenangst und Folge der Gewissensbisse, die ihn keine Ruhe mehr ließen, der Mann fing an zu siechen, wurde schwächer und schwächer und genau am Jahrestage des Kuttenraubes starb er mit dem letzten Glockenzuge. Sein Nachfolger konnte sein Amt ungestört verrichten, nur am Jahrestage des verübten Frevels erschien fortan der kuttenlose Mönch und flehte unter entsetzlichem Händeringen um Rückgabe des dürftigen Gewandes. Da man trotz alles Suchens die geraubte Kutte nicht auffinden konnte – der übermüthige Räuber hatte sie wahrscheinlich vernichtet – so verschaffte man sich eine andere und legte sie dem flehenden Geiste an den Ort, wo er regelmäßig erschien. Die Gestalt hob das Gewand auf und besah es sich von allen Seiten, da sie aber bemerkte, daß es nur ein untergeschobenes sei, legte sie dasselbe wieder hin und ging unter den kläglichsten Geberden von dannen, und so kehrte sie immer wieder, bis mit dem Bombardement der Stadt im 7jährigen Kriege der Thurm in Trümmer sank.


824) Das steinerne Kreuz an der Dreifaltigkeitskirche zu Zittau.
S. Sachsengrün II. Jahrg. 1861. S. 22. u. oben S. 212.

Die heilige Dreifaltigkeitskirche, die auch, weil sie vor dem Weberthore gelegen ist, kurzweg Weberkirche genannt wird, ist eine der drei kleinern Begräbnißkirchen Zittaus. Tritt man vor die Stufen, die zu dem einfachen, aus Sandstein gehauenen Portale emporführen, so gewahrt man bald hinter dem ersten Pfeiler, welcher sich an der linken Seite desselben befindet, ein etwa 1½ Ellen langes steinernes Kreuz, das fest in der Mauer der Kirche eingefügt ist. Seine Form verräth ein ziemlich hohes Alter, ebenso das Messer, welches in dasselbe eingemeißelt ist. Ueber letzterem, in der Mitte des Kreuzes befindet sich eine kleine Nische. Links neben diesem, in einer Entfernung von etwa 3 Fuß, ist in einem der Sandquadern, aus welchem der Unterbau der Kirche besteht, ein langes gebogenes

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_218.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)