Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 210.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Dorf Eckartsberg hoch auf einem Berge, der ihm den Namen giebt, an dessen Fuße sich ein kleiner Bach hinschlängelt und der auf seiner steil ansteigenden Spitze eine weite belohnende Aussicht in die noch so wenig gekannte, an Naturschönheiten so reiche Gegend darbietet. Hier lebte im letzten Drittel des 16ten Jahrhunderts die blühende Margaretha, Tochter eines dortigen Gutsbesitzers, Namens Adam Otto. Unter der liebenden Obhut treuer Eltern, deren Hoffnung und deren Trost des Alters sie war, hatte sie sechzehn Lenze kommen und gehen sehen. Rein war ihr Herz und lauter ihr Sinn, gleich dem Golde, und noch kein Sturm von Außen hatte vermocht, ihr die friedliche Stille ihres Herzens zu rauben. Mit jedem Tage entfaltete die werdende Jungfrau neue Reize und der Ruhm ihrer Schönheit verbreitete sich bald in der ganzen Umgegend und machte auf die Herzen der Jünglinge den tiefsten Eindruck. Es sammelten sich um unser Schöngretchen hinter dem Berge, wie sie die Zittauer scherzweise nannten, ein Heer von Anbetern, die Ansehen, Reichthum, Bildung und Jugendfrische in sich vereinigten. Unter diesen befand sich auch ein ausgezeichnet schöner 20jähriger Jüngling, Georg von Kohlo, der Sohn des einen Bürgermeisters von Zittau, und ihm gelang es, sich durch tausend Schmeicheleien und Versprechungen in ihr bis jetzt unbesiegtes Herz einzuschleichen. Nachdem er der unbefangenen Margarethe zu wiederholten Malen das heiligste Versprechen der Ehe gegeben hatte, wurde die weibliche Eitelkeit in ihr rege und sie sah sich schon im Geiste als die Schwiegertochter des Stadtregenten, der zugleich drei Rittergüter besaß, aufgenommen in die höhern Zirkel der Stadt und an ihren Genüssen theilnehmend. Immer enger und feuriger wurde das Verhältniß der beiden Liebenden, und in einem unbewachten verhängnißvollen Augenblick genoß der Heißgeliebte das, was die Jungfrau dem Jünglinge nie gewähren darf. Doch leider nur zu bald zeigten sich die traurigsten Folgen, und indem sie fühlte, daß sich’s zu regen begann unter ihrem Herzen, empfing sie, was sie fast wahnsinnig machte, die schreckliche Nachricht, daß der Ungetreue,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_210.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)