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bei Manchen Hitzblattern ausfahren oder sich ein Ausschlag zeigt, so gerathen sie auf den Gedanken, sie wären von diesem Geiste verbrühet worden. Daher sagen sie: „die Wehklage hat Dich verbrüht!“ Dafür gebrauchen sie folgende Kur: Sie schmieren das Ofenloch mit Butter und sprechen: „Wehklage ich schmiere Dich, heile mich, Du hast mich verbrühet!“ Dann nehmen sie den Brausch (d. h. den Schaum) von einem kochenden Topfe und schmieren den Schaden, welches gewiß helfen soll.[1]


805) Die böse Frau bei den Wenden.

Krumm und sehr gebückt schleicht in den Dörfern am hellen Tageslichte ein kleines altes verrunzeltes und verschrumpftes Weib, mit triefenden Augen, großem Kopfe, warzigem Gesichte und mächtigem Höcker auf dem Rücken an einer Krücke umher, kriecht in Keller und Scheunen – da wo sie weilt, melken Kühe und Ziegen Blut, ergiebt sich keine Butter, verdirbt der Käse, schlickert die Milch, bekommen die Schafe Pocken, Hunde die Räude, der Wurm kommt ins Korn, das Gespinnste wird von Mäusen zerfressen; kurz es waltet Unfall, wohin ihr Auge blickt und ihr Fuß tritt. Erblickt sie ein Kind unter einem Jahre, so beschreit sie es und es bekommt Friesel, Ausschlag, geschwollenen Leib etc. Die Wenden nennen es das böse Weib (Slaczona). Kräftige und furchtlose Männer dieser Nation haben schon mehrere Male, wenn sie es gewahrten, ihre Fäuste gegen selbiges in Bewegen setzen wollen, allein es ist mit einem schallenden Gelächter


  1. Nach Winter in d. Const. Z. 1852. Nr. 108. S. 431. zeigt sich bei Krummhermsdorf am Unger, einer Fortsetzung des Gebirgskammes, wo der Wachberg bei Saupsdorf im Meißner Hochlande liegt, bis nach Hinterhermsdorf hin eine gespenstige Frau in blendend weißer Gestalt, die denen, welche sie erblicken, Unheil verkündet und sie warnt. Sie ist sehr schön, und wenn sie sich sehen läßt, so neigen sich die Bäume vor ihrer Schönheit zur Erde. Dies wäre auch eine Art Wehklage.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_200.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)