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der Sturm an den Fensterladen, der Birnbaum seufzte und wehklagte, und auf dem Boden ließ eine Katze ihr klägliches Geschrei ertönen, dem bald eine zweite noch kläglicher antwortete.

Da schlug es zwölf, und noch während der Kuckuck an der alten Schwarzwälder in Einem fort schrie und die Flügel dazu bewegte, buchstabirte Lob schon mit möglichstem Fleiß in den altmodischen Zeichen, die häufig mit rothen und blauen Zeichen verziert waren und ihm dadurch nicht wenig zu schaffen machten. Und immer tiefer las er sich beim Qualm der dampfenden Oellampe in die schnörklichen Buchstaben hinein, und die Andern horchten aufmerksam, als wäre es in der Kirche bei einer Trauung oder Leichenpredigt.

Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten; denn plötzlich entstand ein sonderbares Geräusch in der Ofenfanne, der Deckel sprang auf und mit gellendem Meckern sprang ein kohlschwarzes Böcklein daraus hervor, das sehr bald anfing auf seinen Hinterbeinen sich zu erheben und nach seinem Schatten an der Wand zu stoßen.

„Da haben wir’s,“ sagte Lieb leise, „der Zauber wirkt. Klappe Dein Buch zu, Lob, wir wissen, was wir wissen wollen, das ist für heute genug. Morgen geht’s auf den Falkenberg, die Braupfanne mit Gold zu holen, die dort vergraben liegt.“

Aber Lob, einmal im Eifer, war durchaus nicht dieser Meinung, sondern las, nach einem vorwurfsvollen Seitenblick auf seinen Gefährten, herzhaft weiter. Und siehe da! immer reicher entfaltete die Beschwörung ihre geheimnißvolle Kraft. Die kupferne Pfanne schien unerschöpflich, immer aufs neue that sich der Deckel auf, um eine Menge zahmes und wildes Gethier auszulassen, und bald war die Stube angefüllt mit schwerfälligen Eulen und plappernden Elstern, mit krächzenden Krähen und schwirrenden Fledermäusen. Zu dem schon vorhandenen Böcklein gesellte sich noch eine Menge anderer nebst vielen andern langgeschwänzten und krummgehörnten unbekannten Geschöpfen, welche im wirren Knäul, in der Stube herumdrängten.

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_147.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)