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zu treten. Er faßte sich endlich und trat, wiewohl beklommen, an den Eingang der Höhle. Dieselbe hatte sich wunderbar erweitert und war an den Wänden mit Gold und Juwelen geschmückt, auf dem steinernen Tische aber lag ein Haufen Goldstücke. Das Männchen, welches ihn genöthigt, näher zu treten, deutete ihm hierauf an, sich so viel von dem Goldhaufen zu nehmen, als er zur Abhilfe seiner Noth bedürfe, und nannte ihm den Tag, an welchem er wieder erscheinen könne, sollte das Geld nicht ausreichen. Es verbot ihm aber zugleich, Niemandem von allen dem etwas zu sagen, was er hier gesehen und erlebt habe. Der Arme langte erfreut zu, füllte sich die Taschen mit Goldstücken und entfernte sich dankend von den freundlichen und mitleidigen Geistern. Jetzt begann er ein neues Leben, aber nicht ein Leben voll Gottesfurcht. Er betete nicht, er arbeitete nicht, sondern saß vom Morgen bis zum Abend im Wirthshause. Durch dieses flotte Leben erregte er Aufsehen, seine Mitbürger steckten die Köpfe zusammen und konnten ihre Verwunderung nicht verbergen, auf welche Weise der einst so Arme reich geworden sei. Einer unternahm es, ihn auszuforschen, und erfuhr auch in Folge eines Rausches das ganze Geheimniß. Er forderte ihm hierauf durch Drohungen das Versprechen ab, ihn mitzunehmen, sobald er wieder zur Höhle gehe, um sich Geld zu holen. An dem bestimmten Tage und zur bestimmten Stunde begaben sich nun Beide auf den Weg und traten vor die Höhle, aber dieselbe blieb verschlossen und öffnete sich nicht. Seit dieser Zeit ist es noch Niemandem weiter geglückt, in nähere Gemeinschaft mit den Geistern und ihrem Golde zu gelangen, sie bleiben ruhig im Innern des Berges und hüten ihre Schätze.

II. Jene Höhle wird zuweilen noch die Judenschule genannt, und zwar aus folgendem Grunde. Es sollen nämlich zur Zeit der Judenverfolgungen ihrer Sicherheit wegen, und um nicht in ihren Religionsübungen gestört zu werden, sich mehrere Juden daselbst versammelt und feierlich angelobt haben, daß, wenn sie unentdeckt bleiben und unbehindert mit ihrem

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_139.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)