Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 135.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

er dem dasigen Drahtzieher, dessen Tochter ihn auch vexirt haben sollte, zum Fenster hinein. Da nun der Schuster am andern Morgen früh seine Hausthür aufmacht, wird er seine dürre Bezahlung, sowie der Drahtzieher seine Beschimpfung mit Schrecken gewahr. Beide zeigen diese verwegene und boshafte That gerichtlich an. Bartholomäus ward arretirt, vernommen und sodann bei Nacht durch Gerichtsdiener sammt einer großen Bürde Bücher, die er beständig bei sich trug, aus der Stadt weg und über die Grenze geführt, der Scharfrichter aber mußte auf Befehl die beiden Körper wiederum an Ort und Stelle schaffen und aufs Neue aufhängen lassen, dafür er auch den sonst gebräuchlichen Lohn noch einmal bekommen hat. Seit der Zeit sagt man: Zu Bautzen hängt man die Diebe zweimal.[1]


752) Was das Rennen nach dem Semper der Budissiner Frauen im 15. Jahrhundert zu bedeuten gehabt?
S. Köpping in der Lausitzer Monatsschrift 1805. I. S. 1–18. Carpzov’s Ehrentempel d. Oberlausitz. Bud. 1719. I. p. 250. Hoffmann, Scr. Lus. T. II. p. 360. Lausitzer Mag. 1837. S. 174. Haupt, Bd. II. S. 59. fgg.

Mehrere Chronisten der Oberlausitz berichten, es sei ehedem der Gebrauch in der Stadt Bautzen gewesen, daß Donnerstags vor Fastnacht die vornehmsten Frauen, sowohl junge als alte, zusammenliefen, allerhand schandbare Lieder sangen, den Bürgern in die Häuser liefen und für ihre unehrbaren Possen, Reden und Geberden Bratwürste, Fleisch, Brod und andere Victualien verlangten. Diese schändliche Gewohnheit, das sogenannte Rennen nach dem Semper, soll nun als ein unsauberes Ueberbleibsel der alten Bacchanalien, das die alten Wenden beibehalten, der Bischof zu Meißen,


  1. Es giebt auch noch einen Spruch auf die Strenge der Gerichte der Stadt Bautzen. Kommst du von Bautzen ungefangen (von Görlitz ungehangen, von Zittau ohne Weib etc.) s. Hoffmann, Scr. Lusat. Thl. I. 1. S. 110. cf. 408. 415. 501. 505. I, 2, 2. S. 914. Hering’s Zeitschr. Vergangenheit und Gegenwart 1812. S. 174.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_135.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)