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den geheiligten Raum ein. Seinen Hut vor das Gesicht haltend, betete er ein stilles Vaterunser und nachdem dies geschehen, trat er näher zu einer unfern der Thüre stehenden alten Frau, um mit in das Gesangbuch derselben zu sehen. Ein eigenthümliches Gesumme ertönte durch das Gotteshaus und der ganze weite Raum war seltsam erleuchtet. Sein Blick streifte über die zahlreiche, seltsam gekleidete Versammlung und er gewahrte mehrere ihm wohlbekannte Personen, von denen ihm aber doch bekannt geworden war, daß sie bereits gestorben seien. Die Frau an seiner Seite winkte ihm und gab ihm deutlich zu verstehen, er solle nun das Haus verlassen. Da überkam ihn eine eigenthümliche Angst, er öffnete die Thür und eilte hinaus in’s Freie. Doch kaum war er hinausgetreten, so hörte er einen heftigen Knall, das Licht verlosch und von der Domkirche in der Stadt ertönte der Stundenschlag. Unwillkürlich zählte er, dabei rasch dem Stadtthore zuschreitend, die Glockenschläge und siehe, es war gerade Mitternacht. In Schweiß gebadet, langte der Fleischer am Gitter des Thores an, der wachhabende Stadtsoldat öffnete auf sein ungestümes Klopfen das Pförtchen und vernahm, als sich der höchst aufgeregte und vor Entsetzen zitternde Fleischer etwas erholt hatte, aus dessen Munde die seltsame Kunde.


737) Der feurige Hund von Budissin[1].
Poet. beh. v. Ziehnert Bd. II. S. 233 sq. cf. Mauerer, Amphith. magiae univ. S. 441.

Am 2. November des Jahres 1633 hatte Wallenstein die Stadt Budissin durch einen Accord mit der sächsischen Besatzung in Besitz genommen, er zog hierauf nach Böhmen weiter und ließ zu Budissin den Obersten Goltz als Stadtcommandanten zurück. Derselbe plagte nun mit seiner rohen Soldateska die armen Bewohner auf das Schauerlichste, und


  1. Der Ursprung dieser Sage wird unter Nr. 758 anders erzählt.
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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_122.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)