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blutig stießen, der Besitzer unermeßlich reicher Silbergruben ward (s. oben Nr. 610).


699) Sage von der Kapelle am Kapellenberg.
Bearbeitet von Julius Schanz; metrisch behandelt von Fr. Rödiger in: „Sagenklänge des obern Voigtlandes. 1847“.

Im Schlosse zu Eger wohnten einst drei wunderschöne Fräulein, jeglicher Tugend hold und allem Volke bekannt durch ihre Frömmigkeit. Sie waren alle drei ernsten Characters und wollten nichts von den Freuden der Welt, nichts von Liebe wissen. Anna, Maria und Brunhilda waren ihre Namen, die jeder Ritter kannte und mancher Sänger in lieblichen Liedern feierte, ohne daß die Herzen der drei Fräulein davon gerührt wurden.

Einst am Tage St. Johannis war nach der feierlichen Messe ein großes Turnier, zu dem von allen Straßen die Ritter herbeizogen und viel Volks versammelt war. Sie wollten die drei entsagenden Jungfrauen durch Tapferkeit zur Bewunderung reizen und so ihren Bewerbungen geneigt machen. Lange währte das blutige Lanzenspiel, das den drei Fräulein ein Greuel war, obwohl sie es mit ansehen mußten, und Kuno, ein übermüthiger junger Mann, war Sieger über alle. Stolz schritt er über den Kampfplatz und verkündete mit starker Stimme, daß, wenn kein anderer käme, ihn zu besiegen, er eine der drei Jungfrauen als seine Braut mit sich führen wolle, zum Lohn seiner Tapferkeit. Die Menge schwieg, eingeschüchtert von dieser Rede, aber im Herzen empört über die frevelhaften Worte. Da sprengte ein junger, ritterlicher Held in den Kampfplatz und meldete sich zum Kämpfer für die Ehre der drei Fräulein. Funkensprühend kreuzten sich die Lanzen der beiden Ritter, zweimal ohne Erfolg, beim dritten Male stürzte Kuno todt von seinem Streitroß.

Laut jubelte die Menge und das Eis, das um die Herzen der drei Fräulein lag, war geschmolzen: sie entflammten vereint in Liebe für den schönen, tapferen Ritter, der aber nur

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_090.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)