Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 066.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Der Knabe, der den Schenken machte, urtheilte dem Aussehen nach, es sei ein feiernder Mühlbursche, und trug ihm einen ordinären Schnaps und ein Stück trocknes Brot hin. „Da Alter, könnt Ihr Euch einmal Etwas zu Gute thun“, sagte der Knabe. Aber das erzürnte den Pumphut im innersten Herzen, daß er sich so getäuscht hatte und er schwur bei sich, dem Müller einen losen Streich zu spielen. „So wahr ich Pumphut heiße“, murmelte er vor sich hin. Und er that’s. Beim Weggehen fragte er den Jungen, was denn das Fest eigentlich bedeute. „Es soll das Rad gehoben werden“, gab dieser zur Antwort. Pumphut schlich sich mit schelmischem Blicke durch das Pförtchen, machte am Rade seinen hocus pocus und trollte sich lustig von dannen. –

Nachdem die Gäste in der Mühle sich tüchtig satt gegessen und getrunken hatten, schickten sie sich an zum Radhub. Sie hatten Alles vorher richtig abgezirkelt und abgemessen und glaubten bald damit im Reinen zu sein, aber o Wunder! die Welle war jetzt nicht weniger als eine halbe Elle zu kurz. Alles stand im ersten Augenblick stumm vor Schreck, bis der Müller in ein lautes Geschrei ausbrach und sich die Haare zerraufte. „Es paßte vorher wie angegossen“, rief einer. „Zum Teufel“, ein Anderer. Endlich ließ sich eine Stimme vernehmen: „das ist gewiß ein Streich von Pumphut“. Und nun fielen Allen die Schuppen von den Augen, der Mühlbursche im Winkel war kein anderer als der Schwarzkünstler selber gewesen. „Lauft ihm nach, lauft ihm nach!“ schrie Alles, und es dauerte gar nicht lange, da finden sie ihn am Bache sitzen. Er wußte wohl, was sie wollten, und folgte zunächst ihrer Einladung zum Schmause. Als er sich vor Aller Augen tüchtig sattgegessen hatte, klagte man ihm den Unfall und ließ die Frage mit unterlaufen, ob dem nicht abzuhelfen sei. „Da müßte der Kuckuck drin sitzen; schenk’ noch Einen ein, Junge,“ sprach Pumphut. Darauf ging er mit hinaus, sah mit schelmischem Gesichte die verkürzte Welle, klopfte hinten und vorne mit dem Hütchen daran, und als man das Rad zum zweiten Male hob, da paßte die Welle so prächtig wie vorher.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_066.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)