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sie und tödtete zuerst die Kinderfrau. Als der Knabe selbige in ihrem Blute hinsinken sah, da versprach er ihm, er wolle ihm fünf von seinen acht Rittergütern geben, wenn er ihn leben lasse. Allein es half nichts, der Mörder stach ihn nieder. Das kleine Schwesterchen, die nun von ihm gepackt ward, hielt ihm wie zur Abwehr ihre Puppe entgegen, allein er stieß sie zurück und mordete sie unbarmherzig auch.[1] Die Mutter ließ hierauf die drei Leichen heimlich in die Burg bringen und nachdem sie ausgesprengt, alle drei seien schnell einer bösartigen, ansteckenden Krankheit erlegen, in der Schloßkirche beisetzen. Ihrem Liebhaber aber schrieb sie, das Hinderniß ihres Ehebundes sei nunmehr beseitigt, und er


  1. In einem alten Buche über Meerane soll diese Begebenheit abgebildet sein mit den Unterschriften:

    Mein lieber H. laß mich leben,
    Ich will dir Neudeck und Nossen geben,
    Pleißenburg, die neue,
    Es wird Dich nicht gereue;

    und:

    Mein lieber H. laß mich leben
    Ich will Dir meine Puppe geben.

    Offenbar ist diese Geschichte oder wenigstens diese Verse aus einer Verwechselung mit der Sage von der Gräfin von Orlamünde, oder der berüchtigten Weißen Frau auf der Plassenburg und in Berlin entstanden. In dem alten Volksliede von derselben (in Brentano’s Wunderhorn, Bd. II. S. 236) sagt der Knabe:

    Lieber Hager, laß mich leben,
    Will Dir Orlamünde geben,
    Auch die Plassenburg, die neue
    Und es soll mich nicht gereuen!

    und das Mädchen sagt:

    Lieber Hager, laß mich leben,
    Will Dir meine Decke geben,
    Engel, Bengel laß mich leben,
    Will Dir meinen Vogel geben.

    Verglichen hat übrigens noch Niemand die zwei Sagen (s. i. mein. Preuß. Sagenbuch I. S. 15.) Letztere wird unten bei den Sagen des Herzogth. Altenburg erzählt werden.

    Jener H. ist offenbar der Hager, der Diener der Gräfin von Orlamünde, der die Kinder ermordet haben soll.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_028.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)