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Stadt Berlin eine Stadt und der Vulkan Vesuv ein Vulkan ist. Die Sprache befindet sich hier in einer Zwangslage, welche die Abweichung vom Gewöhnlichen rechtfertigt. Dass unser Fall ein besonderer ist, deutet Kerry selbst durch die Anführungszeichen beim Worte „Pferd“ an – ich gebrauche zu demselben Zwecke gesperrte Schrift –. Es lag kein Grund vor, die Wörter „Berlin“ und „Vesuv“ in ähnlicher Weise auszuzeichnen. Man hat bei logischen Untersuchungen nicht selten das Bedürfniss, etwas von einem Begriffe auszusagen und dies auch in die gewöhnliche Form für solche Aussagen zu kleiden, dass nämlich die Aussage Inhalt des grammatischen Prädicats wird. Danach würde man als Bedeutung des grammatischen Subjects den Begriff erwarten; aber dieser kann wegen seiner prädicativen Natur nicht ohne Weiteres so erscheinen, sondern muss erst in einen Gegenstand verwandelt werden, oder, genauer gesprochen, er muss durch einen Gegenstand[1] vertreten werden, den wir mittels der vorgesetzten Worte „der Begriff“ bezeichnen, z. B.

„der Begriff Mensch ist nicht leer“.

Hier sind die ersten drei Worte als Eigenname[2] aufzufassen, der ebensowenig prädicativ gebraucht werden kann wie etwa „Berlin“ oder „Vesuv“. Wenn wir sagen: „Jesus fällt unter den Begriff Mensch“, so ist das Prädicat (von der Copula abgesehen)

„fallend unter den Begriff Mensch“,

und das bedeutet dasselbe wie

„ein Mensch“.

Von diesem Prädicate ist aber die Wortverbindung

„der Begriff Mensch

nur ein Theil.

Man könnte gegen die prädicative Natur des Begriffes geltend machen, dass doch von einem Subjectsbegriffe gesprochen werde. Aber auch in solchen Fällen, wie z. B. in dem Satze

„alle Säugethiere haben rothes Blut“

ist die prädicative Natur[3] des Begriffes nicht zu verkennen; denn man kann dafür sagen:

Empfohlene Zitierweise:
: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, 16. Jahrgang. O. R. Reisland, Leipzig 1892, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gottlob_Frege,_Ueber_Begriff_und_Gegenstand,_1892.pdf/8&oldid=- (Version vom 1.10.2017)
  1. Vgl. meine Grundlagen S. X.
  2. Eigennamen nenne ich jedes Zeichen für einen Gegenstand.
  3. Was ich hier prädicative Natur des Begriffes nenne, ist nur ein besonderer Fall der Ergänzungsbedürftigkeit oder Ungesättigtheit, [198] die ich in meiner Schrift Function und Begriff (Jena 1891) als wesentlich für die Function angegeben habe. Dort liess sich der Ausdruck „die Function f(x)“ nicht wohl vermeiden, obwohl auch dort die Härte entstand, dass die Bedeutung dieser Worte keine Function ist.