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Gedankens als Subject erscheinen zu lassen. Eins der bekanntesten ist die Unterscheidung der Formen des Activs und des Passivs. Es ist daher nicht unmöglich, dass derselbe Gedanke bei einer Zerlegung als singulärer, bei einer andern als particulärer, bei einer dritten als allgemeiner erscheint. Danach darf es nicht Wunder nehmen, dass derselbe Satz aufgefasst werden kann als eine Aussage von einem Begriffe und auch als eine Aussage von einem Gegenstande, wenn nur beachtet wird, dass diese Aussagen verschieden sind. Es ist unmöglich, in dem Satze „es gibt mindestens eine Quadratwurzel aus 4“ die Worte „eine Quadratwurzel aus 4“ zu ersetzen durch „den Begriff Quadratwurzel aus 4“; d. h. die Aussage, die auf den Begriff passt, passt nicht auf den Gegenstand. Obgleich unser Satz den Begriff nicht als Subject erscheinen lässt, sagt er doch etwas von ihm aus. Man kann es so auffassen, als werde das Fallen eines Begriffes unter einen höhern[1] ausgedrückt. Aber hierdurch wird der Unterschied zwischen Gegenstand und Begriff keineswegs verwischt. Zunächst bemerken wir, dass in dem Satze „es gibt mindestens eine Quadratwurzel aus 4“ der Begriff seine prädicative Natur nicht verleugnet. Man kann sagen „es gibt etwas, was die Eigenschaft hat, mit sich selbst multiplicirt 4 zu ergeben“. Folglich kann das nie von einem Gegenstande ausgesagt werden, was hier von dem Begriffe ausgesagt wird; denn ein Eigenname kann nie Prädicatsausdruck sein, wiewohl er Theil eines solchen sein kann. Ich will nicht sagen, es sei falsch, das von einem Gegenstande auszusagen, was hier von einem Begriffe ausgesagt wird; sondern ich will sagen, es sei unmöglich, es sei sinnlos. Der Satz „es gibt Julius Cäsar“ ist weder wahr noch falsch, sondern sinnlos, wiewohl der Satz „es gibt einen Mann mit Namen Julius Cäsar“ einen Sinn hat; aber hier haben wir auch wieder einen Begriff, wie der unbestimmte Artikel erkennen lässt. Dasselbe haben wir in dem Satze „es gibt nur ein Wien“. Man muss sich nicht dadurch täuschen lassen, dass die Sprache manchmal dasselbe Wort theils als Eigennamen, theils als Begriffswort gebraucht. Das Zahlwort deutet hier an, dass der letzte Fall vorliegt. „Wien“ ist hier ebenso Begriffswort wie „Kaiserstadt“. Man kann in diesem Sinne sagen „Triest ist kein Wien“. Wenn wir dagegen in dem Satze „der Begriff Quadratwurzel aus

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: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, 16. Jahrgang. O. R. Reisland, Leipzig 1892, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gottlob_Frege,_Ueber_Begriff_und_Gegenstand,_1892.pdf/11&oldid=- (Version vom 1.10.2017)
  1. Ich habe in meinen Grundlagen einen solchen Begriff zweiter Ordnung und in meiner Schrift „Function und Begriff“ zweiter Stufe genannt, was ich auch hier thun will.