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     Auch mir verlieh, durch Schere, Zwirn und Nadel,

Minerva Kunst und nicht gemeinen Adel.
Allein der Lohn, für meine Treflichkeit,
Ist Hungersnot, ein Haderlumpenkleid,
Ist obenein der schwachen Seelen Tadel,

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Und dann einmal, nach Ablauf dürrer Zeit,

Des Namens Ruhm und Ewigkeit.

     Allein was hilft’s, wenn nach dem Tode,
Mich Leichenpredigt oder Ode
Den grösten aller Schneider nent,

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Und ein vergüldet Marmormonument,

An welchem Schere, Zwirn und Nadel hangen,
Und Fingerhut und Bügeleisen prangen,
Der späten Nachwelt dies bekent?
Wenn lebend mich mein Zeitgenosse

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Zu Stalle, gleich dem edlen Rosse,

Auf Stroh zu schlafen, von sich stöst,
Und nackend gehn und hungern läst?

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Gottfried August Bürger: Gedichte. Johann Christian Dieterich, Göttingen 1778, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gottfried_August_B%C3%BCrger_Gedichte_1778.pdf/262&oldid=- (Version vom 1.8.2018)