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zerstört worden wäre. Und über die Metzelei der armen und der bedürftigen Frauen fließen Ströme aus unseren Augen.

Die meisten von den getöteten Frauen waren leider Wöchnerinnen und eine von ihnen war schwanger. Sie haben Ruhe, aber wir haben Not, Kummer und Seufzen.

Am nächsten Morgen nach dem erwähnten Feiertag ging gleich früh am Morgen die Beerdigungsbruderschaft auf den Friedhof und es wurden die erwähnten sechs Toten eine neben der anderen in einer Reihe begraben.

Und jetzt ist ein jeder verpflichtet, seine Handlungen zu untersuchen, ein jeder nach seinem Lebenswandel und der Frucht seiner Werke, um zu verkünden, daß der Ewige gerecht ist, ein Gott der Treue und ohne Fehl. Und er, der Barmherzige, wird die Sünden vergeben und uns nicht verderben und seinen Zorn und Grimm nicht entbrennen lassen. Und er wird dem Engel der Verderbnis sagen: »Halt deine Hand ein« u. s. w. Und der Herr der Barmherzigkeit wird unsere Wünsche erfüllen und wird unseren Ausgang und unseren Eingang behüten, zum Leben und zum Frieden von nun an bis in Ewigkeit. Und es soll kein Mauerriß und kein Trauergeschrei in unseren Gassen sein und in der aller Brüder des Hauses Israel, in allen ihren Orten und Wohnstätten. Amen.

Es wird nun viel und viel geredet, aber wer kann alles schreiben oder alles glauben. Dennoch will ich, Mutter, ein wenig davon schreiben.

Eine Frau namens Esther, deren Mann mit Namen Reb Jakob war – er ist hier ein Hausvater und Lehrer gewesen – also hat die Frau mit ihrem Kind, einem Sohn von ungefähr fünf Jahren, auf der obersten Treppe der Weibersynagoge gesessen, zur Zeit als die Geschichte angefangen hat. Also hat sie gesehen sechs Weiber mit kleinen Schleierchen auf, welche gar lang von Positur gewesen; diese erwähnten Weiber sind gegangen und haben die erwähnte Frau Esther etliche Stiegen heruntergestoßen. Die erwähnte Frau hat geschrien: »Wollt ihr mich mit meinem Kind töten?« Da haben sie das Kind in einen Winkel gesetzt und sind hinweggegangen.

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_310.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)