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Obwohl mir solches zwar nicht wohl gefallen hat und ich solches in meiner Haushaltung in Hamburg nicht gewohnt gewesen bin, daß man eine Dienerin läßt Herr und Meister sein, so habe ich oftmals mit meinen Stiefkindern wie auch mit meiner Schwägerin Freudchen geredet. Aber sie haben mir alle gesagt, daß Blümchen – sie ruhe in Frieden – sie über alles hat herrschen lassen und ihr alles unter Händen gelassen habe, denn sie zweifeln nicht an ihrer Treue. Als ich in mein Haus kam, hab ich zwei Diener und zwei Dienerinnen gefunden und noch dabei mehrere Handlanger und Läufer. Obschon mir solches alles nicht wohl gefallen hat, hat man mir solches ausgeredet und gesagt, daß solches alles noch wenig wäre gegen damals, als meinem Mann seine erste Frau – sie ruhe in Frieden – gelebt hat. In Wahrheit haben meine Stiefkinder, die da verheiratet waren, solches gar oft beseufzt und haben mir auch gar oft anzuhören gegeben, was für Wohltaten und Genüsse sie von ihrer Mutter – sie ruhe in Frieden – gehabt haben. Einigen von ihnen hatte sie ihre Haushaltung ganz ausgehalten. Nun, ich habe solches nicht tun können, und nichts anderes, als davon, was von Eßwerk öffentlich gewesen ist, meinen Stiefkindern geschickt. Wenn wir aber schon etwas Besonderes gehabt haben, wenn ich am Vorabend des Sabbat für ein Viertel Reichstaler oder ein Livre Sabbatobst gekauft habe, dann hat man mich damit ausgelacht und gesagt, daß alle Sabbat mehr als für einen Reichstaler Sabbatobst gekauft worden sei und jedem Kind ganze Körbe voll in sein Haus geschickt worden. Solches hab ich mir eine Zeitlang gefallen lassen, und doch Gott – er sei gelobt – gedankt, denn ich habe gemeint, mein langes Warten in meinem betrübten Witwenstand doch gut angelegt zu haben, wenn es mir auch eine bange Freude gewesen ist. Wie schon erwähnt, ist mein Mann ein wackerer Mann gewesen, und wie er vorgegeben, auch ein reicher Mann. Ich hatte bei ihm auch so viel rares Silber und Gold gesehen, wie ich bei keinem reichen Mann in ganz Deutschland gesehen habe.

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_282.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)