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reine jüdische Tochter leben können und es wären mir die Nöten und Sorgen von meinen Kindern oder Freunden und alle Eitelkeiten der Welt nicht beschwerlich gewesen. Dort hätte ich Gott – er sei gelobt – mit meiner ganzen Seele und mit meinem ganzen Vermögen dienen können. Aber, wie schon erwähnt, meine Sünden haben das verursacht, daß mich Gott – er sei gelobt – zu anderen Gedanken geführt hat und mich dessen nicht gewürdigt hat. Nun wollen wir wieder anfangen, wo wir gehalten haben.

Inzwischen hat es ein ganzes Jahr gewährt, ehe ich auf die Hochzeit von meinem Sohn Reb Moses habe kommen können. Zwischendessen sind mir allerhand Widerwärtigkeiten und Sorgen zum Teil von meinen Kindern zugestoßen, welches mich schon vorher und allezeit viel Geld gekostet hat, welches aber nicht nötig ist, daß ich es schreibe. Sie sind alle meine lieben Kinder und es sei ihnen verziehen, sowohl denen, die mich viel Geld gekostet haben, als denjenigen, die mich nichts gekostet haben, daß ich also in meinen ganzen Vermögensverhältnissen herabgekommen bin. Zudem habe ich großen Handel geführt, denn ich habe noch großen Kredit bei Juden und Nichtjuden gehabt, und dadurch haben sie mir großen Kummer angetan.

Im Sommer in der Hitze und im Winter bei Regen und Schnee bin ich auf Messen gefahren, ganze Tage bin ich auf den Messen auch in der Winterszeit in meinem Gewölbe gestanden, und weil ich gar wenig von dem Meinigen übrig behalten habe, hab ich es mir gar sauer werden lassen und habe nur immer getrachtet, mich in Ehren fortzubringen, daß ich, Gott behüte, nicht meinen Kindern zu Teil werde und, Gott behüte, nicht erleben sollte, dazustehen und auf den Tisch meines Nächsten zu schauen. Obschon es meine Kinder gewesen wären, so wäre es mir, Gott behüte, weher als bei Fremden gewesen; denn Kinder hätten sich vielleicht durch mich versündigt, welches mir Tag für Tag ärger als der Tod gewesen wäre.

Und nach all dem hab ich die große Mühe und auch das Laufen durch die Stadt nicht mehr aushalten können,

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_259.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)