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dein Kind nicht um ein weniges Geld und mach nicht, daß man mich, Gott behüte, ihren Händen ausliefert, aus denen man schwerlich loskommt.«

Wie ich den Brief gelesen hab, ist mir eine Ohnmacht angegangen. Ich habe meinen Sohn Reb Mordechai rufen lassen und ihm den Brief gegeben, der hat sich auch sehr erschreckt. Es ist Sabbat gewesen. Nach Sabbat Ausgang haben wir zusammen beschlossen, daß mein Sohn Reb Mordechai gleich nach der Lissa ziehen sollte und sehen sollte, meinen Sohn Reb Josef mit sich heimzunehmen. Also ist mein Sohn Reb Mordechai nach Berlin gezogen und von dort nach Frankfurt an der Oder. Aber wie er in Frankfurt an der Oder zum Tor hinausfahren will, kommt mein Sohn Reb Josef mit so einem polnischen Wägelchen in das Tor von Frankfurt an der Oder hineinzufahren. Mein Sohn Reb Mordechai ersieht ihn und heißt meinen Sohn Reb Josef absteigen, und sie reden zusammen, woher er jetzt so unvermutet käme und was das für ein Brief ist, den er ihm gezeigt hat, den er seiner Mutter geschrieben hat. Mein Sohn Reb Josef sieht und liest den Brief und sagt: »Was ist das für ein Brief? Ich weiß nicht das geringste von dem Brief zu sagen. Sicher hat ihn mein Rabbi – sein Name soll ausgelöscht werden – geschrieben und hat gedacht ein Stück Geld von mir zu bekommen, wie er doch schon viel mehr Geld von mir bekommen hat als ihm gebührt hat. Er hat mir all meine Sachen genommen, meine silbernen Knöpfe aus meinem Rock geschnitten und alles versetzt. Ich habe solches von ihm wieder haben wollen, da hat er mich falsch beschuldigt, ich hätt alles vernascht und verfressen und überhaupt für mich versetzt. Nun, ich hab gesehen, daß das nicht gut tun kann, da hab ich Tokles Eidam gebeten, daß er mit ihm einen Vergleich schließt. Er hat ihm dreißig Reichstaler gegeben und mich von ihm genommen und hierher geschickt. Ich danke Gott, daß ich von dem Bösewicht weggekommen bin, denn er hat doch nicht mit mir gelernt.«

Nun, mein Sohn Mordechai ist froh gewesen, daß er ihn da angetroffen hat, und sie sind gleich in ihrer Kutsche

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_220.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)