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Nun, es ist mir eben nicht viel daran gelegen gewesen, ob ich das Geld früh oder spät bezahlt habe, und hab ihm das Geld für ein halbes Jahr hineingeschickt. Also ist alles gut gewesen, und ich habe von Durchreisenden vernommen, daß sie fleißig lernen. Aber wie das halbe Jahr bald ausgewesen ist, krieg ich einen Brief von meinem Sohn Reb Josef am Vorabend des Sabbat, wie man bald ins Bethaus gehen will. Stehen in dem Brief folgende Worte: »Meine liebe Mutter, du weißt ja wohl, daß ich dir all meine Tage ein getreues Kind gewesen bin und niemals etwas wider dich getan habe. Also wirst du auch deine getreue mütterliche Liebe nicht von mir abwenden und wirst ja nicht zulassen, daß man mich in die Hände von Andersgläubigen ausliefert. Denn meine liebe Mutter muß wissen, daß hier die jüdische Gemeinde Lissa an vornehme Herren gar viel schuldig ist. Sie können die vornehmen Herren nicht bezahlen, weder Kapital noch Zinsen, und da sich die jüdische Gemeinde keinen Rat weiß, also wollen sie die Kinder der deutschen Juden den vornehmen Herren zum Pfand geben. Die deutschen Juden müssen sie wohl wieder auslösen. Solches haben die Vorsteher den Lehrern in tiefstem Geheimnis gesagt, die Kinder von deutschen Juden haben. Und solches hat mir ein Student, der mein guter Freund ist, in tiefstem Geheimnis gesagt. Und daher hab ich dir nicht selbst geschrieben und solches durch diesen Studenten tun lassen. Denn mein Lehrer gibt gar zu viel und besonders Obacht auf mich und liest all meine Briefe. Daher, meine liebe Mutter, sieh doch Gott den Allmächtigen an und schreib an Tokles Eidam, daß er mir fünfzig oder sechzig Reichstaler gebe, damit ich mich mit meinem Lehrer ausgleiche, daß er mich im tiefstem Geheimnis wegschickt und ich aus ihren Händen komme. Und ich bitte dich um Gottes willen, sei nicht nachlässig, denn wenn es, Gott behüte, versäumt werden sollte, und ich sollte – Gott bewahre – in ihre Hände kommen – es ist Polen – es wäre, Gott behüte, um mich geschehen. Und sollte dann auf Geld gesehen werden, es kostete zehnmal so viel als jetzt. Darum, meine liebe, herzige Mutter, verlass

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_219.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)