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geschrieben und mir geraten, ich sollte auf die Heirat eingehen, denn der junge Mann hätte fünftausend Reichstaler und auch andere Sachen, wie der Vermittler gesagt hat.

Also hab ich meinem Sohn Reb Löb Vollmacht geschickt, welcher die Verlobung in Berlin abgemacht hat. Zu meiner großen Betrübnis ist die Hochzeit auf fast anderthalb Jahre hinausgeschoben worden. Ich habe gemeint, es wäre alles gut und habe gedacht, weil ich ein Kind in Berlin hätt, dem es wohl ging, wollt ich dieses Kind auch dahin geben, damit das eine am anderen Freude hätte. Aber es ist leider ganz anders ausgeschlagen. Denn, wie erwähnt, mein Sohn Reb Löb ist noch gar jung gewesen und hat keinen Handel verstanden. Anstatt daß sein Schwiegervater Vorsehung für ihn hätte haben sollen, hat er ihn gehen lassen wie ein Schaf ohne Hirten. Mein Sohn hat, wie schon erwähnt, ein großes Geschäft angefangen und ein großes Gewölb in Berlin mit allerhand Waren gehabt. Sein Schwiegervater Reb Hirsch hat seinen Sohn Reb Model verheiratet und sich mit meinem Schwager Reb Josef verschwägert.

Dieser Reb Model ist auch noch gar jung und nicht wohlgezogen gewesen. Der Schwiegervater Reb Hirsch hat die ganze Mitgift von viertausend Reichstalern genommen und hat solche meinem Sohn Reb Löb in sein Geschäft gegeben. Mein Sohn hat diesen Reb Model in seinem Gewölb sitzen gehabt, sozusagen damit er mit zusehe. Aber, daß sich Gott erbarm, wie er zugesehen hat! Diener und Dienerinnen haben leider alles gestohlen und auch sonst andere schlechte Menschen, wie es zu Berlin und dortherum gibt.

Sie haben sich an ihn herangemacht, sozusagen mit ihm gehandelt und das Weiße aus den Augen gestohlen. Er hat etliche Tausende an Polaken geborgt, was leider alles verloren gegangen ist. Ich und meine Kinder haben solches nicht gewußt. Meine Kinder und ich haben gemeint, er säße in großem Geschäft und Verdienst. Deshalb haben wir ihm viel kreditiert. Ich habe damals auch eine Fabrik von Hamburger Strümpfen gehabt, die ich für etliche Tausende selbst habe machen lassen. Also hat mir der unglückliche

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_205.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)