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Aber ich war dagelassen mit meinen ledigen und verheirateten Kindern in Not, Kummer und Sorge, und es ist gewachsen Gram und Kummer Tag für Tag, Schlag auf Schlag, und meine Lieben und Verwandten standen in der Ferne. Aber was soll ich tun, was soll ich klagen! Meine Sünden haben das verursacht. Darüber weine ich und aus meinen Augen fließt Wasser. Und ich werde ihn nicht vergessen alle Tage meines Lebens, denn er ist eingegraben in meinem Herzen.

Nun, meine liebe Mutter und Geschwister haben mich getröstet, wie schon erwähnt, aber mit solcher Tröstung ist mein Schmerz leider alle Tage größer geworden und ist mit solcher Tröstung nur Oel in das Feuer gegossen worden, und die Flamme ist mächtiger geworden, und mein Schmerz und Herzeleid ist noch viel größer geworden. Solche Tröstung und Zuspruch haben zwei, drei Wochen gewährt, danach hat man mich nicht mehr gekannt. Im Gegenteil, diejenigen, denen wir große Wohltaten erwiesen haben, haben es mit Bösem vergolten – wie die Weltordnung ist. Wenigstens ist solches nach meiner Einbildung geschehen. Denn das Gemüt und die Gedanken von einer betrübten Witwe, die so urplötzlich einen König verliert, wie kann man das vergessen. Also bildet man sich – Gott behüte – vielleicht zu Unrecht ein, daß einem ein jeder nicht wohl tut. Gott wolle es mir verzeihen.

Nun, meine herzlieben Kinder, an dem Tag, an dem ich den herzigen, lieben Freund noch hab tot gehabt vor mir liegen, ist mir nicht so weh gewesen als nachderhand. Es ist mir mit jedem Tag weher geworden. Ich habe alle Tage meine große Betrübnis und Zerstörung betrachtet und mein Schlag ist alle Tage größer geworden. Aber, was hab ich tun sollen? Der große gütige Gott! kraft seines großen Erbarmens und der Vorsehung, die er für uns arme verlassene Menschen hat, derselbe hat mich mit großem Erbarmen und mit großer Gnade zur Geduld geführt, so daß ich meinen kleinen Waisen – sie sollen leben – mit Gottes Hilfe vorgestanden bin, so viel solches von einer schwachen

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_192.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)