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daß man nur gesehen hat, daß sich seine reinen Lippen geregt haben.

Das hat ungefähr eine halbe Stunde gewährt. Also sagt Reb Phöbus zu Abraham Lopez: »Mein Abraham, leg dein Ohr einmal auf Reb Chajim seinen Mund, ob du hören kannst, was er sagt?« Also hat Abraham Lopez sein Ohr nahe an seinen Mund gelegt, und wie er so eine kleine Weile still gelegen ist und hören wollte, was mein Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – sagen wird, so hat er gehört, daß er gesagt hat: »Höre, Israel, der ewige unser Gott, der ewige ist einzig.«

Damit ist ihm der Atem stehn geblieben und er hat seine reine Seele ausgehaucht. Also ist er heilig und rein gestorben, und man hat an seinem Ende gesehen, was er – er ruhe in Frieden – gewesen ist.

Nun, was soll ich, meine lieben Kinder, viel schreiben von unserem bitteren Kummer, so einen Mann zu verlieren! Ich bin in solch großen Würden bei ihm gewesen, und bin mit acht Waisen, worunter meine Tochter Esther eine Braut gewesen ist, sitzen geblieben. Ach, was kann oder soll ich klagen oder sagen! Gott soll sich unser erbarmen und soll der Vater von meinen Waisen sein. Denn du einziger Gott, du bist ja der Vater von Waisen.

Nun, ich will mit meinem Heulen und Jammern ein wenig stillschweigen, denn ich sorge, ich werde den lieben Freund wohl all meine Tage beweinen müssen. Also ist er Sonntag den 24. Tebeth 1689 mit gutem Namen zu Grabe gekommen.

Es ist so ein Kummer und Aufruhr in der Gemeinde gewesen, daß es unmöglich zu schreiben ist. Denn es ist leider ein urplötzlicher Schlag gewesen. Also hab ich mich mit meinen Kinderchen rund um mich her zur betrübten siebentägigen Trauer gesetzt und gedacht, was das für ein betrübter Zustand und ein Anblick gewesen ist: daß ich betrübte Witwe bin da mit meinen zwölf Kindern – lange mit Liebe von einander geschieden! Wir haben gleich eine ständige Gebetversammlung für die Trauerzeit bekommen

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_190.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)