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wir müßten die Nacht auf der Straße liegen bleiben. Und am anderen Tag haben wir einen Fasttag haben müssen, denn es ist Vorabend vor dem Neujahrsfest gewesen. Wir sind den ganzen Tag im Schiff gewesen und keiner hat einen Bissen gegessen und wir sind krank und matt von dem Meer gewesen. Also hat es uns nicht schmecken wollen, daß wir sollten ungegessen und ungetrunken auf der Gasse liegen bleiben.

Mein Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – ist endlich nachts in das Haus eines Juden gegangen, dessen Bruder die Tochter von Chajim Fürst – er ruhe in Frieden – gehabt hat, und hat ihn gebeten, er möchte uns doch über Nacht in sein Haus nehmen, damit wir nur mit den Kindern unter Dach kommen können. Der Hausherr hat gleich gesagt: »Kommt in Gottes Namen. Mein Haus ist für euch offen. Ein gutes Bett kann ich euch geben, aber Essen hab ich nicht.« Denn es ist spät gewesen und seine Frau ist nicht zu Hause gewesen. Sie ist in Emden gewesen. Also ist mein Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – froh gewesen, daß wir nur ein Nachtlager gehabt, und er ist mit Freude zu uns gekommen und hat uns in das Haus gebracht, aber wir haben wahrhaftig kein Essen oder Trinken gehabt, denn es ist schon alles zu Bett gewesen. Wir haben noch ein bisselchen Brot bei uns gehabt, das haben wir den Kindern gegeben. Nun, ich hab Gott gedankt, daß ich zu Bett gekommen bin; ich hab ein gar gutes Bett gehabt, das ist besser als Essen und Trinken gewesen.

Am nächsten Tag, dem Fasttag, dem Vorabend des Neujahrsfestes, haben wir uns zeitig aufgemacht und sind nach Emden gezogen und sind zu Gast gewesen bei Reb Abraham aus Stadthagen. Derselbe und mein Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – sind nahe Verwandte gewesen. Der Vater von Abraham Emden war Reb Mausche Kramer von Stadthagen und ist der Vetter von meinem Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – gewesen. Also sind wir das Neujahrsfest in Emden gewesen und haben

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_141.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)