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krank gewesen und hat sich nicht regen können und hat mein Kind nebbich bei sich gehabt.

Das Kind ist vielleicht auch nicht wohl gewesen und hat angefangen zu heulen und zu kreischen. Die Magd hat sich nicht regen können und hat das Kind nebbich heulen und kreischen lassen.

Aber ich als eine Mutter, die Mitleid mit ihrem Kind hat, hab es nicht länger zuhören können und hab müssen von meinem Lager aufstehen und habe das Kind durch das Loch zu mir hereingezogen und es bei mir an die Brust gelegt.

Aber mein Gott, wie ist mir so weh geworden; es ist mir stracks Todesnot angegangen. Ich habe gedacht, daß sicher mein Ende da sein werde, und habe angefangen das Sündenbekenntnis zu sagen, so gut ich gekonnt habe und so viel ich auswendig gewußt habe. Mein Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – ist auf seinem Lager still gelegen und hat wohl gewußt, daß dies keine sterbliche Krankheit ist und daß, sobald man nur die Füße auf das Festland stellt, die Krankheit weg ist.

Wie ich nun so das Sündenbekenntnis sage und meine ganze Andacht auf Gott – er sei gelobt – gerichtet habe, ist mein Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – gelegen und hat gelacht. Ich hab das gehört und gedacht, ich lieg da in Todesnot und mein Mann liegt da und lacht. Obschon ich darüber sehr zornig gewesen bin, so ist diesmal keine Zeit gewesen, mit meinem Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – zu zanken. Ich hab nicht die Kraft gehabt, ein Wort zu reden. Also habe ich nebbich in meiner Krankheit liegen bleiben müssen, was ungefähr noch eine halbe Stunde gewährt hat, bis wir ans Land gekommen und aus dem Schiff gestiegen sind. Also ist unsere Krankheit, Gott sei Dank, mit eins weg gewesen.

Nun ist es ganz Nacht gewesen, als wir nach Delfzyl gekommen sind. Wir haben in kein Wirtshaus kommen können und auch in keines Juden Haus. Es ist gar häßliches Wetter gewesen, so daß wir uns geängstigt haben,

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_140.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)