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Verdienst fortgegangen wären, so halte ich dafür, daß wir nichts Widriges zusammen gehabt hätten. Aber es scheint die glückliche Bestimmung für Isachar gewesen zu sein, daß wir mit Reb Juda haben abschneiden müssen. Isachar sein Glück hat da angefangen zu blühen, wie gleich berichtet werden wird.

Obschon an der Sache nichts gelegen, wie auch an meinem ganzen Buch, so ist solches doch geschrieben, um meine müßigen melancholischen Gedanken damit zu verbringen, wenn mich die betrübten Gedanken so geplagt, und ist auch hieraus zu sehen, wie sich alle menschlichen Dinge mit der Zeit verkehren. »Gott – er sei gelobt – hat Leitern gemacht: den einen läßt er hinaufsteigen, den anderen hinuntersteigen.«

Reb Juda ist zu uns gekommen und hat fast gar nichts gehabt und Gott – er sei gelobt – hat ihm geholfen, und ich halte dafür, daß er sich heute nicht mit hunderttausend Reichstaler Banco auskaufen läßt. Er sitzt auch noch in solchem Geschäft und Aestimation bei dem hohen Kurfürsten, und ich halte davon, daß, falls er so fort macht und Gott – er sei gelobt – nicht dawider ist, dann wird er zu seiner Zeit als der reichste Mann in ganz Deutschland sterben.

Es ist auch zu sehen, wie wir vielen Leuten – Gott zuvor – haben zurecht geholfen, und alle, die mit uns Handel getrieben haben, sind reich und mächtig geworden. Aber die meisten ohne Vergeltnis, wie die Weltordnung ist. Im Gegenteil, diejenigen, denen wir alles Gute getan haben, haben uns oder unsere Kinder mit Bösem bezahlt. Gott der Allmächtige ist gerecht. Wir sündige Menschen können nichts sagen, sogar wissen wir nicht, was für uns gut oder böse ist. Ein Mensch meint oft, wenn ihm was Widerwärtiges zustößt, daß ihm dasselbe gar bös sei. Es kann sein, daß, was wir meinen, daß für uns bös ist, uns gerade zum Guten wird.

Nun, wäre der ehrliche, redliche Reb Mordechai – Gott räche sein Blut – leben geblieben, wäre vielleicht manchem

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_112.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)