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Mann mitten in der Messe heimgekommen und ich hab kein Wort davon gewußt. Ich sehe zu meiner Türe hinaus, kommt mein Mann – das Andenken des Gerechten zum Segen – zu fahren. Da kann man sich wohl denken, was für eine Bestürzung ich eingenommen habe und sonstige Sachen mehr. Wer kann alles erschreiben?

Einmal ist mein Mann – das Andenken des Gerechten zum Segen – in der kalten Leipziger Messe gewesen, denn es ist Neujahrsmesse gewesen. Also ist mein Mann – das Andenken des Gerechten zum Segen – mit anderen Juden unterwegs gewesen und sollten hierherkommen. Aber sie sind nicht an dem Tage gekommen, den ich mir ausgerechnet hatte. Also kommt die Frau, die die Briefe umträgt, und bringt mir Briefe von Frankfurt. So sagt sie, im kaiserlichen Posthaus haben sie – Gott bessere es – böse Zeitung gehabt, denn zwei Wagen mit Juden und Nichtjuden wollten sich zum Zollenspicker über die Elbe setzen und ist alles versoffen. Weil das Eis so stark gegangen ist, hat das Eis den Prahm zerbrochen. Nun, mein Gott, fast ist mir meine Seele hinausgeflogen. Ich hab angefangen zu rufen und zu schreien und zu jammern, wie wohl zu denken steht. Also kommt grün Moses, den ich schon erwähnt, in die Stube und findet mich in solchem Zustand und fragt, was der Märe ist. Ich verzähl es ihm und sag: »Ich bitte dich, um Gottes willen, nimm flugs ein Pferd und reit nach dem Zollenspicker und sieh, was vorgeht.«

Obschon grün Moses und die anderen es mir haben ausreden wollen, hab ich mich doch nicht zufriedengeben können. Also ist grün Moses hinweggeritten. Ich bin zu einem Manne gelaufen, der Pferde zu vermieten gehabt hat. Derselbe hat sofort seinen Knecht mit einem Pferd auf eine andere Seite geschickt. Wie ich dann betrübterheit wieder heimgegangen, komme ich in das Haus, sitzt mein lieber Mann in der Stube und wärmt sich und trocknet seine nassen Kleider. Es ist gar ein scheußlich Wetter gewesen und alles, was die Briefträgerin gesagt hat, ist lauter Lüge gewesen.

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_100.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)